Berliner Zeitung, 21.10.99 Der Leopard - ein Test für Rot-Grün und die Rüstungsindustrie von Sigrid Averesch BERLIN, 20. Oktober. Für die deutsche Rüstungsindustrie war mit dem Antrag auf Export des hochmodernen Leopard-II-Panzers in die Türkei auch ein Test für die neue Bundesregierung verbunden. Zwar ging es um die Beteiligung an einem internationalen Wettbewerb, an dessen Ende möglicherweise der Zuschlag für ein Geschäft über die Lieferung von 1 000 deutschen Panzern stehen könnte. Doch gleichzeitig testet die Branche derzeit, wie die neue Bundesregierung mit Waffenexporten in umstrittene Empfängerländer umgeht. Im Vordergrund steht dabei die Frage, ob Rot-Grün bei der Genehmigung von Rüstungsexporten letztendlich wirtschaftlichen Interessen den Vorrang einräumt oder ob sich eine Politik durchsetzt, die derartige Ausfuhren an der Situation der Menschenrechte in dem jeweiligen Empfängerland orientieren will. Vor einem Jahr, als sich die Regierungspartner zusammenfanden, waren ihre Vereinbarungen eindeutig. Der Rüstungsexport werde restriktiv gehandhabt, heißt es im Koalitionsvertrag. "Bei Rüstungsexportentscheidungen wird der Menschenrechtsstatus möglicher Empfängerländer als zusätzliches Entscheidungskriterium eingeführt." Und auch die Ziele der deutschen Außenpolitik wurden klar umrissen. Sie sollten sich an den Menschenrechten orientieren. Niederlage für Minister Den Ministern, die ihre Politik danach ausrichten, brachte die Sitzung des Bundessicherheitsrates allerdings eine Niederlage. Weder Außenminister Joschka Fischer (Grüne) noch die Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul, konnten sich mit ihren Bedenken durchsetzen. Sie wurden überstimmt. Damit haben die Interessen der Wirtschaft Priorität erhalten. Vor allem für die Grünen ist das eine bittere Erfahrung. Neue Export-Grundsätze Umso mehr kommt deshalb dem anstehenden Projekt der Regierungskoalition Bedeutung zu, die seit 1982 bestehenden "Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" zu ändern. Danach sind Exporte in Krisengebiete untersagt. Nun soll das Kriterium der Menschenrechte eingeführt werden. Nach einem Entwurf des Bundeswirtschaftsministerministeriums werden die Menschenrechte künftig in der Präambel angesprochen. Zudem wird in dem Entwurf in der Begründung darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung in jedem Einzelfall prüft, ob das zu liefernde Rüstungsgut im Empfangsland zu gravierenden Menschenrechtverletzungen missbraucht werden kann. In den Fraktionen von SPD und Grünen zeichnet sich Widerstand gegen den Entwurf ab. So beanstandete jüngst die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Angelika Beer, in einem Brief an den Fraktionsvorstand die Unverbindlichkeit der neuen Kriterien. Auf Kritik stößt dabei vor allem, dass sich die Menschenrechte nur in der eher unverbindlichen Präambel, aber nicht in den einzelnen Bestimmungen wiederfinden. Moniert wird zudem, dass sich die Exporte zukünftig nach dem EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren richten sollen, der nicht so restriktiv ist wie die geltenden deutschen Bestimmungen. Der Sicherheitsrat hat seine Position vor kurzem klar gemacht: Er stimmte dem Entwurf zu. |