Frankfurter Rundschau, 22.10.1999 Panzer wird zu Test für Koalition Im Blickpunkt: Grüne erwarten SPD-Hilfe Von Knut Prieß (Berlin) Die Alarmmeldungen reichen von "Konflikt" über "Krise" bis zu "Bruchgefahr" - dass deutsche Panzer in der Türkei auf Probefahrt gehen dürfen, belastet die Berliner Regierungskoalition. Die Grünen rüsten zum Widerstand und hoffen auf Unterstützung aus dem SPD-Lager. So einig war man lange nicht mehr: Die mit der Stimme von Bundeskanzler Gerhard Schröder erzwungene Genehmigung für die Münchner Rüstungsfirma Krauss-Maffei Wegmann, sich mit einem Vorführ-"Leopard 2A5" am Rennen um den Milliarden-Auftrag aus der Türkei zu beteiligen, hat beim kleineren Koalitionspartner ein spontanes Wir-Gefühl hervorgerufen. Es herrscht Einigkeit, dass die umstrittene Entscheidung des Bundessicherheitsrates dem Koalitionsvertrag widerspricht. "Da steht nicht nur die Glaubwürdigkeit der Grünen auf dem Spiel, sondern auch die der Koalition", sagt Christian Sterzing, Europa-Experte der Bundestagsfraktion. Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer spricht von "einer Fehlentscheidung, für die der Kanzler persönlich die Verantwortung trägt". Was ist zu tun? Auch wenn der Beschluss als solcher nicht mehr zu ändern ist, gibt Bütikofer "die Auseinandersetzung noch nicht verloren". An die offizielle Darstellung, wonach die Erprobungslizenz eine Lieferlizenz nicht vorwenehme, glauben die Grünen so wenig wie der Hersteller. "Wir liefern doch keinen Probepanzer zum Testen, wenn wir dann den Auftrag nicht bekommen", erklärte die Kasseler Konzerntochter Wegmann. Dennoch wollen Sterzing und die Seinen nichts unversucht lassen, "den Kanzler beim Wort zu nehmen" und zu verhindern, dass aus dem kleinen Test das große Waffengeschäft wird. Das soll mittels einer Art Doppelstrategie geschehen. Zum einen wollen die Grünen auf eine Präzisierung und Verschärfung der neuen Rüstungsexport-Richtlinien dringen. Claudia Roth, Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, will dazu am Montag Forderungen vorlegen. Der vorliegende Entwurf - "ein Blankoscheck" - beschränke sich auf eine vage Berufung auf die Menschenrechte. Statt dessen brauche man einen klaren Kriterienkatalog, dem sich verbindlich entnehmen lasse, ob ein Interessent für deutsche Rüstung ein Mindeststmaß an Rechtsstaatlichlichkeit gewährleisten könne. Auch das Genehmigungsverfahren im Sicherheitsrat ist den Grünen mangels Transparenz und parlamentarischer Kontrolle verdächtig. Zum anderen setzt der kleine Koalitionspartner auf Verbündete aus den Reihen des großen. Immerhin habe ja nicht nur der grüne Außenminister Joschka Fischer gegen die Freigabe des Testpanzers gestimmt, sondern auch seine SPD-Kollegin Heidemarie Wieczorek-Zeul vom Ressort Entwicklungshilfe. Außerdem habe man zu Oppositionszeiten Seite an Seite gegen eine ähnliche Exportpolitik der Regierung Kohl/Kinkel gestanden. Daran sollten die sozialdemokratischen Kritiker von damals erinnert und zur Konsequenz aufgefordert werden. Im Kanzleramt wappnet man sich mit einer subtilen Beschwichtigungsstrategie. Sinn und Zweck der geplanten Ernennung der Türkei zum EU-Beitrittskandidaten auf dem kommenden EU-Gipfel sei ja gerade, dass man Ankara zu überprüfbaren Reformanstrengungn auf dem zivilen Sektor verpflichten könne. Diese aber würden so teuer, dass die Türken ihre überdimensionierten Rüstungspläne vergessen könnten. "Die werden die Kohle nicht haben". Kein Trost für die Grünen. "Ein Ausweichmanöver", sagt Sterzing. Das Regierungsbündnis steht nach Meinung der meisten nicht auf dem Spiel, eine scharfe Auseinandersetzung mit dem Partner sei aber unvermeidlich. An der Taktik wird noch gearbeitet, der Termin steht: Montag im Koalitionsausschuss. |