junge Welt, 22.10.1999 Gedächtnisschwund in der Hauptstadt Regierung leugnet Erkenntnisse über Einsätze deutscher Panzer gegen Kurden Während die Proteste auch vieler Abgeordneter der Grünen gegen die beschlossene Lieferung eines Leopard- II-Panzers zu »Testzwecken« an die Türkei unvermindert anhalten, bemüht sich die Bundesregierung um Schadensbegrenzung. In einer Erklärung vom Donnerstag beteuert sie, keine Hinweise auf Einsätze der bereits im Besitz der türkischen Armee befindlichen knapp 400 Leopard-I-Panzer im Krieg gegen die kurdische Bevölkerung zu haben. Dazu erklärt Thomas Klein, Sprecher der in Wiesbaden ansässigen bundesweiten Kampagne gegen Rüstungsexporte, gegenüber jW: »Diese erneute Lüge der Bundesregierung ist erstaunlich. Einige verantwortliche Politiker in Berlin scheinen unter Gedächtnisschwund zu leiden. Auf einer Pressekonferenz am 12. April 1994, bei der es um den vertragswidrigen Einsatz deutscher Waffen gegen Kurden ging, wurde unter Beteiligung von Politikern der heutigen Regierungsparteien folgende Erklärung verbreitet: »Das wesentliche für die heutige Pressekonferenz läßt sich in wenigen Worten zusammenfassen: Zirka 300 Delegationsteilnehmer aus der Bundesrepublik, Holland, Finnland, Großbritannien, Frankreich und der Schweiz (...) haben wiederholt den Einsatz von deutschen Waffen gegen die kurdische Zivilbevölkerung beobachtet: Konkret heißt es: An den Straßenrändern, in den besetzten Dörfern, auf den Arealen der Gendarmerie- und Militärstationen wurden MAN-Truppentransporter, Spezialeinheiten mit G-3-Gewehren der Marek Heckler&Koch, BTR-60-Schützenpanzer aus NVA- Beständen, gepanzerte Kampfpanzer des Typs MTW M 113, sowie Leopard-I-Panzer gesehen und fotografiert und das definitiv.« Diese Erkenntnisse führten seinerzeit zu einer Anzeige wegen »Beihilfe zum Völkermord« von Oppositionspolitikern von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen den damaligen Außenminister Klaus Kinkel. Das scheint nun alles vergessen zu sein. Derweil wird die Entscheidung des Bundessicherheitsrates in der Türkei regelrecht gefeiert. Hürriyet, das auflagenstärkste türkische Blatt, berichtete am Donnerstag, mit dem Beschluß sei das 1992 bestehende »Embargo endlich aufgehoben worden«. Das Boulevardblatt Sabah schrieb, die Zustimmung zur Lieferung des Probe-Panzers habe in Ankara »Frühlingswetter« ausgelöst. (jW) |