AP 21.10.1999 13:15 Vom Todesurteil bedroht sucht Öcalan den Frieden Der Gründer und Chef der PKK gewann Tausende für den Guerillakrieg gegen die Türkei Von AP-Korrespondent Selcan Hacaoglu Ankara (AP) Friedensangebote hat PKK-Führer Abdullah Öcalan in seinem 15-jährigen Kampf für einen eigenen Staat der Türkei schon oft gemacht. Doch die letztlich kompromisslose Linie aller Beteiligten ließ diese Gesten immer wirkungslos bleiben - bis Öcalan am 16. Februar in einer Nacht- und Nebelaktion von türkischen Agenten in Kenia gefasst und auf die Gefängnisinsel Imrali gebracht wurde. Während seines ersten Prozesses, der mit einem Todesurteil endete, leitete er praktisch das Ende des bewaffneten Kampfes der PKK ein. Bis zum Beginn seines Berufungsprozesses am Donnerstag blieb die Militärführung reserviert. Die Hinterbliebenen gefallener Soldaten fordern weiterhin die Hinrichtung Öcalans. Der Führer der Kurdischen Arbeiterpartei hat aus einer Hand voll Rebellen im Südosten der Türkei eine der bestorganisierten Guerillabewegungen der Welt mit 10.000 Kämpfern gemacht. Dem seit 1984 offen geführten Krieg um die Selbstbestimmung der Kurden fielen mehr als 37.000 Menschen zum Opfer. Schon Ende vergangenen Jahres erklärte Öcalan in Italien, wo er sich vergeblich um politisches Asyl bemüht hatte: «Wir haben den Terrorismus aufgegeben, und wir sind zu einem Friedensvertrag bereit.» Im Laufe seines ersten Prozesses bot er sich mehrmals als Friedensvermittler an. In seiner letzten Erklärung vor der Urteilsverkündung bekräftigte er sein Versprechen, für einen gerechten Frieden sorgen zu wollen und forderte seine Kämpfer auf, mit dem Abzug aus der Türkei zu beginnen. Die PKK verkündete am 1. September einen einseitigen Waffenstillstand, den die Türkei als taktisches Manöver ablehnte. Das Parlament verabschiedete aber im August eine Amnestiegesetz für PKK-Mitglieder, die nicht an Anschlägen und Kämpfen beteiligt waren. Öcalan und andere hohe PKK-Funktionäre blieben also ausgeschlossen. Anfang Oktober stellten sich acht kurdische Rebellen mit einer Friedensbotschaft dem türkischen Militär. Damit wollten sie nach eigenen Angaben den Friedenswillen der PKK demonstrieren. Das türkische Militär erklärte, es akzeptiere die Kapitulation nicht als Friedensgeste. Ein hoher Offizier tat sie als einen Schachzug Öcalans ab, mit dem die Türkei zu Verhandlungen mit den Rebellen gezwungen werden solle. Deutschland verzichtet auf Auslieferung Öcalans Als Kind einer armen Bauernfamilie wurde der 1949 geborene Öcalan auf die Hochschule geschickt, schloss sein Studium aber nicht ab. Statt dessen widmete er sich dem Streben seiner kurdischen Landsleute gegen die Unterdrückung ihrer Kultur und Sprache durch den türkischen Staat. Mit der PKK gründete er 1978 eine marxistisch-leninistisch orientierte Kaderpartei, die sich für größere Rechte der Kurden in der Türkei einsetzte. Nachdem die politischen Bemühungen erfolglos geblieben waren, nahm die PKK 1984 den bewaffneten Kampf auf. Mit dem ihm eigenen Charisma sammelte Öcalan erst Hunderte, dann Tausende von jungen Männern und Frauen für den bewaffneten Kampf. Angefacht wurde die Aufstandsbewegung von kurdischem Nationalismus, Armut und dem Zorn auf das halbfeudale System im Südosten der Türkei, wo auf dem Lande immer noch kurdische und türkische Großgrundbesitzer das Leben der Bauern bestimmten. Das teilweise brutale Vorgehen der türkischen Armee trieb der PKK ebenfalls viele Kurden in die Arme. Der Festnahme Öcalans am 12. November auf dem Flughafen von Rom folgten Großdemonstranten von Kurden in vielen europäischen Hauptstädten. Ende November feierten Zehntausende von Demonstranten in Bonn die Entscheidung von Bundeskanzler Gerhard Schröder, aus innenpolitischen Gründen auf einen Auslieferungsantrag zu verzichten, obwohl in Deutschland ein Haftbefehl gegen Öcalan vorlag. |