Berliner Morgenpost, 23.10.99 Panzer-Deal verunsichert die Grünen Bundesgeschäftsführer Bütikofer schwankt zwischen Drohung und Beschwichtigung. SPD warnt vor Belastung der Koalition BM/dpa/rtr/ap Berlin - Der Streit um die Lieferung von Leopard 2-Kampfpanzern in die Türkei hat die Stimmung in der Regierungskoalition weiter verschlechtert und den kleineren Koalitionspartner, die Grünen, offenbar stark verunsichert. Die Stellungnahmen zu dem Thema schwankten gestern zwischen unverhohlenen Drohungen gegen die Regierung und Beschwichtigungsversuchen. Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer hatte gegenüber der Tageszeitung «taz» eine harte Tonlage angeschlagen. «Die Auseinandersetzung fängt erst an», erklärte er zu den umstrittenen Rüstungsexporten und fügte hinzu: «Wir werden versuchen, gesellschaftliche Gruppen und Instanzen zu mobilisieren». Zum Erstaunen vieler Beobachter verwies Bütikofer in diesem Zusammenhang auf die CDU-Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Sie habe gezeigt, wie wirksam solche Aktionen sein könnten. «Deswegen wollen wir die öffentliche Meinung für das vereinbarte Ziel von Rot-Grün mobilisieren», sagte er unter Hinweis auf die Ankündigung im Koalitionsvertrag, bei Rüstungsexporten die Menschenrechtslage im Empfängerland zu berücksichtigen. Er habe vom Länderrat seiner Partei eine Botschaft der grünen Basis an die Bundespolitiker mitgenommen: «Wir wissen, dass ihr nicht jede Auseinandersetzung gewinnen könnt, aber wir wollen, dass ihr kämpft.» Diese Ankündigung stieß beim Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, auf massive Kritik: «Es macht keinen Sinn, gegen die eigene Regierung Unterschriften sammeln zu wollen», sagte Struck gestern im ZDF. Die Koalitionsrunde werde am Montagabend darüber sprechen. Er bezeichnete die ablehnende Haltung der Grünen gegenüber der Testlieferung eines Panzers als «etwas unverständlich». Bütikofer habe den Mund wohl etwas zu voll genommen. Er warnte die Grünen vor einer Belastung der Koalition. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ließ Kritik aan der Ablehnung von Außenminister Joschka Fischer (Grüne) zum Panzerexport erkennen. Argumente gegen die Panzerlieferung halte er für «hergeholt". Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) warf Fischer Widersprüchlichkeit vor. Im Verlauf des Tages versuchte Bütikofer seiner Ankündigung von außerparlamentarischen Protesten die Schärfe zu nehmen. Aber er betonte, die Grünen würden alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um eine Lieferung von 1000 Leopard-Panzern in die Türkei zu verhindern. Das erklärte Reinard Bütikofer gestern in Berlin. Der erste Schritt sei zunächst jedoch das Gespräch mit dem Koalitionspartner am Montag. Bevor nicht klar sei, wie sich die SPD zu den Vorstellungen der Grünen stelle, «bleibt die Frage offen, welche weiteren Schritte wir ergreifen". Für neuen Zündstoff dürfte auch die Lieferung des Kampfhubschraubers «Tiger» an die Türkei sorgen. Es wurde bekannt, dass die Türkei ein Testmodell des «Tigers» zu Vorführzwecken erhalten hatte. Der Hubschrauber, eine deutsch-französische Gemeinschaftsproduktion, sei unter französischer Hoheit in die Türkei gebracht worden, hieß es am Freitag im deutschen Verteidigungsministerium. Die «Neue Ruhr/Neue Rhein-Zeitung» hatte berichtet, dass über die Lieferung des Testmodells im Bundessicherheitsrat entschieden worden sei. Dies sei allerdings nicht der Fall gewesen, hieß es aus Regierungskreisen. |