sz, 25.10.99 Waffenexport stürzt Rot-Grün in die Krise Grüne dringen auf strenge Beschränkungen bei Rüstungsgeschäften / Schröder nicht zu Zugeständnissen bereit eli Berlin (Eigener Bericht) - Bei den Grünen lässt die Empörung über den Verkauf eines Testpanzers in die Türkei nicht nach. Führende Politiker der Partei sprachen von einer ernsten Krise der Koalition und verlangten eine Klärung der Rüstungspolitik während eines Koalitionsgesprächs an diesem Montag. Der kleine Koalitionspartner dringt auf strenge Beschränkungen für den Rüstungsexport. Die SPD wurde daran erinnert, dass eine rot-grüne Koalition keinen Erfolg haben könne, wenn sie immer nur zu Lasten eines Partners gehe. Außenminister Joschka Fischer bekräftigte seine Ablehnung des Panzergeschäfts mit Ankara. Der Geschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Reinhard Bütikofer, und die verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion, Angelika Beer, unterbreiteten dem Koalitionsausschuss ihrer Partei Argumente für das Gespräch mit der SPD. In dem der SZ vorliegenden Papier fordern sie erneut, "Menschenrechte zum Entscheidungskriterium zu machen" und "Rüstungsexporte generell zu senken". Die Richtlinien zum Rüstungsexport der Bundesregierung müssten mit Hilfe des Parlaments überarbeitet werden. Beer und Bütikofer fordern, den Bundestag "in geeigneter, die Vertraulichkeit gewährender Form" in Exportentscheidungen einzubeziehen. Außerdem dürfe der Bundessicherheitsrat seine Waffenexport-Beschlüsse künftig nur noch einstimmig fällen. Der Bundessicherheitsrat hat der Lieferung eines Leopard-II-Panzers an die Türkei zu Testzwecken zugestimmt. Das Votum fiel gegen den Willen der Grünen und ihres Außenministers Joschka Fischer. Die Lieferung eines Testpanzers gilt als erster Schritt in einem Geschäft, in dem die Türkei etwa 1000 Panzer zu erwerben plant. Über den Verkauf der Lizenzrechte zum Bau dieses Panzers müsste der Bundessicherheitsrat zu gegebener Zeit noch einmal befinden. Keine Unterschriftenaktion Beer und Bütikofer machten erneut deutlich, dass sie versuchen werden, die Lieferung des Panzers zu verhindern, "solange die Menschenrechte in der Türkei verletzt sind". Bütikofer rückte allerdings von der Vorstellung ab, Widerstand gegen die Panzer-Entscheidung durch eine Unterschriftenaktion zu mobilisieren. Auch in der SPD-Fraktion wächst die Bereitschaft, die Exportrichtlinien neu zu formulieren und die Menschenrechte als wichtiges Kriterium aufzunehmen. Fraktionschef Peter Struck sagte, Fachleute der Regierungsfraktionen sollten diese Richtlinien erarbeiten. Fischer erneuerte in einem Interview des Tagesspiegel seine Kritik an der Panzer-Entscheidung. Die Menschenrechtslage und der grenzüberschreitende Konflikt im Südosten der Türkei sollten Grund zur Zurückhaltung bei Waffenlieferungen sein. Die Türkei setze außerdem "falsche Prioritäten", wenn sie nach dem Erdbeben Panzer in so großer Menge kaufen wolle. Allerdings machte Fischer auch klar, dass er von einem Kriterienkatalog für den Export von Waffen wenig hält. Mit einem solchen Katalog ließen sich Konfliktfälle wie der mit der Türkei auch nicht lösen. Von den Befürwortern des Rüstungsexports, vor allem von Verteidigungsminister Rudolf Scharping und Bundeskanzler Gerhard Schröder, wurde deutlich, dass sie in der Koalitionsrunde am Montagabend kaum zu Zugeständnissen bereit sind. Scharping warnte den Koalitionspartner, Differenzen weiter offen auszutragen. Die Berliner Morgenpost machte am Wochenende eine Liste aus dem Verteidigungsministerium publik, in der anstehende Exportentscheidungen aufgezählt werden. Unter anderem bäten Ägypten und Saudi-Arabien um automatische Waffen, Südkorea um Kampfhubschrauber und Saudi-Arabien um eine Testhaubitze. In der Liste wird eine türkische Anfragen nach dem deutschen Schützenpanzer Gepard nicht genannt, die im Licht der Panzer-Entscheidung nur noch geringe Chancen auf eine Bewilligung haben dürfte. Scharping plant für November eine Reise in den Nahen Osten und die Türkei, bei der Rüstungsgeschäfte eine wichtige Rolle spielen dürften. Das Koalitionsrunde wird von der Exportentscheidung beherrscht werden. Die Grünen wollen Schröder klar machen, dass die Panzer-Lieferung gegen die Koalitionsvereinbarung verstößt. Schröder müsse verstehen, dass die Glaubwürdigkeit des Koalitionspartners ernsthaft gefährdet sei. Die Grünen könnten derartige Entscheidungen nicht länger tolerieren, sonst würden sie von ihren Wählern bestraft. Vertreter beider Parteien sehen das Bündnis aber nicht vor dem Bruch. Die Lieferung des Testpanzers sei nicht mehr rückgängig zu machen, hieß es bei den Grünen. |