jw, 25.10.99

Panzerdeal wird zur Zerreißprobe

Bündnisgrüne halten Bruch der Koalition für möglich.

jW-Bericht

Die rot-grüne Koalition steht wegen der geplanten Lieferung eines Leopard-2-Testpanzers an die Türkei vor einer Zerreißprobe. Grüne Politiker warnten die SPD vor einem Scheitern der Koalition. Mit dieser Kontroverse gehen die Regierungsparteien am Montag in die Koalitionsrunde, wo Bundeskanzler Gerhard Schröder die Grünen nach eigenen Angaben »überzeugen« will. Im Koalitionsausschuß soll ferner über eine Neufassung der Rüstungsexportrichtlinien diskutiert werden, hieß es am Sonntag in Berlin.

Im Streit um die Panzerlieferung an die Türkei wollen die Außen- und Verteidigungspolitiker von Bündnis90/Die Grünen am Montag noch vor der Koalitionsrunde »ein klares Votum« gegen die vom Kanzler befürwortete Lieferung des Testpanzers aussprechen. Das kündigte Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei in der Welt am Sonntag an. Seine Parteikollegin Claudia Roth erklärte, die Entscheidung für die Lieferung habe »die Grünen und große Teile der SPD in eine schwere Krise gebracht«. Die SPD müsse sich fragen, »ob diese rot-grüne Koalition überhaupt Erfolg haben kann, wenn sie immer zu Lasten eines Partners geht«.

Der zuständige SPD-Minister Rudolf Scharping sprach sich am Wochenende erneut für die Lieferung aus. Er warnte die Grünen, Meinungsverschiedenheiten weiterhin öffentlich auszutragen. Hintergrund von Scharpings Engagement für den Panzerdeal ist laut Berliner Morgenpost ein internes Papier des Verteidigungsministeriums, in dem den Grünen angelastet wird, sie machten mit einer Blockade von Rüstungsgeschäften die Bundesrepublik unberechenbar und unglaubwürdig und gefährdeten auch zivile Exporte.

SPD-Fraktionsvorsitzender Peter Struck wies demgegenüber in der ARD darauf hin, daß noch keine Entscheidung über die Lieferung weiterer Panzer an die Türkei gefallen sei. Dagegen erneuerte Außenminister Joseph Fischer im Berliner Tagesspiegel seine Ablehnung mit den Worten: »Wir wollen die Türkei mittels Verbesserungen an die Europäische Union heranführen. Dazu wird man schwerlich Panzerlieferungen zählen können. Die Menschenrechtslage, und vor allem der bewaffnete Konflikt im Südosten bis jenseits der türkischen Grenze, sollten uns dazu veranlassen, nichts zu liefern, was im Innern eingesetzt werden kann.« Er verwies weiterhin darauf, daß für den Wiederaufbau nach der Erdbebenkatastrophe in der Türkei »mindestens 16 Milliarden Mark« notwendig sein würden. »Da werden doch die Prioritäten nicht richtig gesetzt«, erklärte er.

Die waffenkundige Sprecherin der Grünen im Bundestag, Angelika Beer, schränkte am Wochenende jedoch ein, daß es keine Unterschriftenaktion der Grünen gegen die Lieferung des Testpanzers geben werde. Eine solche Aktion war kurzzeitig im Gespräch gewesen. Allenfalls werde es Initiativen geben, »die sich positiv auf die Koalitionsvereinbarungen beziehen«, erklärte Beer im NDR.

Gegen das Panzergeschäft mit der Türkei hat sich am Sonntag auch der frühere Finanzminister und SPD- Vorsitzende Oskar Lafontaine ausgesprochen Die Lieferung des Testpanzers vom Typ »Leopard II« an die Türkei sei »ein falsches Signal«. Er hätte dem auf jeden Fall widersprochen. Es sei wegen des Konflikts der Türken mit ihrer kurdischen Minderheit nicht vertretbar, Panzer dorthin zu liefern. Klar sei zudem, daß kein Testpanzer zur Verfügung gestellt werde, wenn es nicht auch Interesse am Gesamtauftrag gebe.