jw, 26.10.99

Scheingefechte um Panzer für Türkei

Grüne mosern weiter. Taktische Manöver des Außenministeriums

Der Beschluß des Bundessicherheitsrates, einen Testpanzer an die Türkei zu liefern, schlägt weitere Wellen im grünen Wasserglas. Der für längere Zeit auf politischer Tauchstation befindliche Bundesumweltminister Jürgen Trittin mahnte im Südwestfunk die Einhaltung des Koalitionsvertrages an, wonach sich die Außenpolitik der Bundesregierung an der Achtung der Menschenrechte zu orientieren habe. Diese würden in der Türkei »wirklich durch den Dreck gezogen«.

Auch die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Claudia Roth, macht sich derzeit Hoffnung auf eine Revision des Beschlusses. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine rot-grüne Bundesregierung Panzer in die Türkei liefert«, sagte die Grünen-Politikerin am Montag vor Journalisten in Berlin.

Manche Grüne konnten sich im vergangenen Jahr auch keine Kriegsbeteiligung vorstellen, dennoch hatte sich die Partei hinter den NATO-Kurs ihres Außenministers gestellt.

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom Montag hält man die ganze Streiterei der Grünen um den Beschluß des Bundessicherheitsrates eher für inszenierte Profilierungsversuche. Laut FAZ hatten bei den Beratungen von Richtlinien für den Rüstungsexport im Bundessicherheitsrat noch im August die Vertreter des Auswärtigen Amtes und auch Joseph Fischer selbst weitgehende Verschärfungen abgelehnt. Diese waren damals vom sozialdemokratischen Entwicklungshilfeministerium eingebracht worden. Jetzt seien Teile der SPD daüber verärgert, daß nach dem Lieferbeschluß für den Testpanzer plötzlich im Auswärtigen Amt eine Änderung dieser Richtlinie erwogen werde. Damit täusche das AA eine Position vor, die es vor der Sommerpause noch nicht gehabt habe. Das Fischer-Ministerium habe zugleich der Lieferung von sechs Minensuchbooten an die Türkei zugestimmt.

Dagegen sei der Vorschlag des Entwicklungshilfeministeriums, den Passus, daß eine Begrenzung von Rüstungsexporten ein Beitrag »zur Sicherung des Friedens, der Menschenrechte und einer nachhaltigen Entwicklung in der Welt« sein solle, in präzisierter Form in den Hauptteil der Richtlinen aufzunehmen, vom Auswärtigen Amt verworfen worden. Damit habe der Außenminister das Entwicklungshilfeministerium von Frau Wieczorek-Zeul bei den Verhandlungen im Bundessicherheitsrat im Stich gelassen.

Kritik am Panzerdeal mit der Türkei kam allerdings auch von anderer Seite: Der stellvertretende CSU- Vorsitzende Horst Seehofer hat sich gegen den geplanten Export ausgesprochen. Bei den Menschenrechten und Minderheitenrechten sei kein substantieller Fortschritt erkennbar, sagte Seehofer am Montag vor Journalisten in München. Deshalb sei auch die Aufnahme der Türkei in die Reihe der EU-Beitrittskandidaten verfrüht. Der Zickzack-Kurs von Bundesaußenminister Fischer und den Grünen sei »nicht mehr nachvollziehbar«. Nach Meinung von Seehofer lebe die Türkei in größten Spannungen mit ihren Nachbarn, das Militär sei ohne jede politische Kontrolle und die Folter sowie die Zwangsverheiratung von Jugendlichen seien nicht abgeschafft.

(AP/jW)