Berliner Zeitung, 27.10.99 WAFFENEXPORT: Zwischen SPD und Grünen schwelt der Konflikt weiter
BERLIN, 26. Oktober. Trotz der Einigung im Panzerstreit schwelt die Vertrauenskrise in der Spitze der rot-grünen Koalition weiter. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) ließ durchblicken, dass er die Motive für das Handeln von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bei der Lieferung eines "Leopard"-Testpanzers in die Türkei nicht versteht. In der Koalitionsrunde war es am Montagabend nach Angaben von Teilnehmern zu einem lautstarken Wortwechsel zwischen Kanzler und Vizekanzler gekommen. Obwohl die Grünen die Lieferung des Erprobungs-Panzers weiterhin ablehnen, stimmte die Fraktion der Koalitionsvereinbarung am Dienstag zu. Fischer hatte am Montagabend die Lage des rot-grünen Bündnisses mit dem Hinweis zusammengefaßt, es greife Verunsicherung um sich, nachdem Schröder ihn vergangene Woche bei der Lieferung des Testpanzers überstimmt habe. Mehrmals habe er den Kanzler gewarnt, die Lieferung eines Testpanzers bedeute eine schwere Belastungsprobe für die Grünen. Außerdem gebe es die gemeinsame Festlegung, dass die Türkei beim Rüstungsexport anders zu behandeln sei als andere Nato-Staaten. Schröder habe sich darüber hinweggesetzt. Bundeskanzler Schröder bezeichnete den Koalitionsbeschluss als "gutes Ergebnis". In der SPD-Fraktionssitzung bat er die Abgeordneten, bei der Diskussion über das Rüstungsgeschäft auch das Argument der Sicherung von Arbeitsplätzen nicht außer Acht zu lassen. Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) begrüßte, dass ein Kompromiss gefunden wurde. Dennoch seien die Grünen "sauer und anderer Meinung". Bundesaußenminister Fischer hat bei einem Treffen mit seinem türkischen Kollegen Cem die Position zur Auslieferung eines Test-Panzers an die Türkei erläutert. Aus Teilnehmerkreisen verlautete, das Treffen sei in "guter Atmosphäre" verlaufen. Cem habe die deutsche Entscheidung nicht kommentiert. Unterdessen wurde bekannt, dass der Bundessicherheitsrat vergangenen Mittwoch der Lieferung von sechs Minensuchbooten in die Türkei zugestimmt hat. Wie die Werft Abeking & Rasmussen in Lemwerder der "Berliner Zeitung" bestätigte, handelt sich um ein Geschäft in Höhe von über einer Milliarde Mark. |