taz, 27.10.1999 Seite 3

"Änderungen kann ich mir schwer vorstellen"

Die grüne Staatssekretärin Uschi Eid kritisiert, dass die Türkei für Rüstung so viel ausgibt wie für Bildung und Gesundheit zusammen. Außerdem sei die Türkei nicht gerade ein friedlicher Nachbar

Uschi Eid ist parlamentarische Staatssekretärin bei Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), die gegen den Testpanzer stimmte.

taz: Heute besucht der türkische Außenminister Cem die Bundesrepublik. Was sollte Joschka Fischer ihm sagen?

Uschi Eid: Natürlich möchten wir die Türkei gerne in der Europäischen Union empfangen, aber dafür müssen bestimmte Vorbedingungen erfüllt sein. Daher können wir bei den Rüstungskriterien nicht hinter die Menschenrechts-Maßstäbe zurückfallen, die auch beim Eintritt in die EU gelten.

Im Klartext hieße das doch, Herrn Cem zu sagen: Schminken Sie sich die Lieferung der tausend Leopard-II-Panzer ab.

Darüber wurde noch nicht entschieden. Die Türkei hat jetzt einen Leo als Testpanzer bekommen. Wenn die Menschenrechtssituation sich allerdings bis in einem Jahr nicht gravierend verbessert hat, dann würden wir eine Lieferung von tausend Panzern ablehnen - sofern es überhaupt zu einer Bestellung in Deutschland kommt. Hinzu kommt, dass die Türkei für Rüstungsgeschäfte genauso viel ausgibt wie für Gesundheit und Bildung zusammen. Gleichzeitig muss das Land die Folgen eines verheerenden Erdbebens verkraften. Da muss man schon fragen, ob das Geld nicht für produktiven Aufbau und Armutsbekämpfung eingesetzt werden müsste statt für unproduktive Waffengeschäfte.

Also kann die Türkei sich sparen, den Leo II zu testen?

Die Türkei lebt ja nicht gerade in allerengster Freundschaft mit ihren Nachbarn. Also spielt auch die Frage nach Rüstungsexporten in Spannungsgebiete eine Rolle. Wenn man all diese Kriterien zusammen nimmt, kann ich mir schwer vorstellen, dass sich die Bedingungen in einem Jahr gravierend geändert haben - so wünschenswert das auch wäre.

Über die Verschärfung der Richtlinien für Waffenexporte wird jetzt eine rot-grüne Arbeitsgruppe entscheiden. Warum sollten Schröder und Scharping dort ihren Widerstand aufgeben?

Ich würde da nicht von vornherein mit einem Nein des Bundeskanzlers rechnen. Schon die Präambel der Richtlinien in der vorliegenden Form enthält eine Menschenrechtsklausel und würde nahe legen, die Rüstungsexporte nicht zu genehmigen. Nun wollen wir auch noch die einzelnen Paragraphen verschärfen. Wenn man eine gute Formulierung im Konsens hinkriegt, kann sich auch der Kanzler nicht dagegen sträuben.

Warum?

Durch die öffentliche Debatte um den Panzerexport ist die Rolle der Menschenrechte in unserer Exportpolitik prominent diskutiert worden. Dadurch sind die Politiker gezwungen worden, noch mal innezuhalten. Wenn in der Gesellschaft für solche Geschäfte keine Akzeptanz da ist, kann sich auch der Bundeskanzler nicht darüber hinwegsetzen.

Und wenn doch, setzen die Grünen dann wirklich auf außerparlamentarische Kampagnen?

Wenn die Basisinitiativen gegen Rüstungsexporte anhand dieser Frage eine neue Dynamik entfalten, dann wäre das zu begrüßen. Die Kampagne Erlassjahr 2000 zum Beispiel hat mit dazu beigetragen, dass der Kanzler selber eine Entschuldungsinitiative für die ärmsten Staaten der Welt vorlegt hat. Aber ich glaube nicht, dass die grüne Fraktion jetzt auf den außerparlamentarischen Arm setzen sollte.

Interview: Patrik Schwarz