Mittelbayrische Zeitung, 27.10.99 PRO: Panzer für NATO-Partner! Die Bundesrepublik hat sich seit der Wiedervereinigung nach Jahrzehnten wohlüberlegter Zurückhaltung auf dem Gebiet der internationalen Sicherheits- und Verteidigungspolitik einen ausgezeichneten Ruf erworben. Deutsche Soldaten und auch deutsche Panzer stehen heute bei friedensschaffenden oder friedenserhaltenden Einsätzen völlig selbstverständlich an der Seite ihrer Bündnispartner. Und zu diesen Partnern gehört auch das NATO-Mitgliedsland Türkei. Gemeinsame Übungen sind Routine. Jetzt einem NATO-Partner die Lieferung eines Probe-Panzers vom Typ Leopard zu verweigern, gar eine Rüstungszusammenarbeit zu verhindern, wäre bündnispolitisch wie wirtschaftspolitisch blanker Unsinn. Noch dazu, wo Kanzler Schröder und Außenminister Fischer der Türkei eine Option auf einen EU-Beitritt eingeräumt haben. Niemand kann ernsthaft unterstellen, dass eine deutsche Panzer-Armada angeschafft wird, um einen Vernichtungsfeldzug gegen die Kurden zu führen. Gerade weil aber in der Türkei, einem von uns bevorzugten Urlaubsland, viele europäische Standards noch nicht gelten - neben der Verfolgung der Kurden denke man etwa an die Todesstrafe oder an die Wahrung der Würde der Frau - kann nicht Ausgrenzung, sondern nur ein genauso behutsamer wie konsequenter Integrationsprozess dieses Staates in das westliche Gefüge der richtige Weg sein. Dazu gehört partnerschaftliche Zusammenarbeit. Diese darf aber nicht allein daraus bestehen, dass man die Türkei als strategisch wichtigen Eckpfeiler des NATO-Militärbündnisses missbraucht, ihr ansonsten aber alle Türen der Kooperation zuschlägt. Und: In der politischen Diskussion dieser Republik ist es immer noch "pfui", darüber zu sprechen, dass man mit dem Export von Rüstungsgütern Geld verdienen kann. Die 1000 Leopard-Panzer würden weder an Libyen noch an den Irak, sondern an ein befreundetes Land geliefert. Und der Auftrag würde der deutschen Industrie mindestens sechs Milliarden Mark, mit Folge- und Wartungsaufträgen bis zu zwölf Milliarden, einbringen. Entsprechend viele Arbeitsplätze wären auch in Süddeutschland gesichert. Die Amerikaner führen Debatten wie die Deutschen nicht. Sie würden der Türkei sogar 350 M1-Kampfpanzer schenken, nur um ins Geschäft zu kommen. erarbeitet von Winter, Fritz KONTRA: Panzer für Putschisten? Kürzlich griff ein türkischer General wieder einmal zu starken Worten: Wer (dem Staatsgründer) Atatürk und dem Militär die Zunge herausstrecke, so Yalcin Isimer, "den werden wir vergewaltigen". Die Warnung richtete sich wohl vor allem an die türkischen Islamisten. Dass sie nicht nur prahlen, haben die Militärs durch drei Putsche seit 1960 hinreichend bewiesen. Soll die Bundesrepublik einem Land Panzer liefern, das als Militär-Demokratur nicht ganz falsch beschrieben ist? Dessen Polizei foltert, wo Menschen "verschwinden" oder aufgrund gewaltloser politischer Aktivitäten inhaftiert werden? Wo seit Jahren ein interner Krieg gegen die Kurden geführt wird? Die Frage kann mit Ja beantworten, wer bereit ist, die in Sonntagsreden und Koalitionsvereinbarungen beschworenen Menschenrechte mal wieder - nur noch einmal und ausnahmsweise - links liegen zu lassen. Er bekommt dafür vielleicht einen Auftrag über sieben Milliarden Dollar und sichert ein paar tausend Arbeitsplätze. Wenn es die Deutschen nicht tun, dann die Amerikaner oder Italiener, heißt es. Es wird freilich immer jemanden geben, der moralische Standards unterbietet. Warum nicht Nordkorea oder Libyen? Weiterer Einwand: Die Leopard-Panzer können im bergigen Kurdengebiet gar nicht eingesetzt werden. Mag sein, aber als Drohpotential gegen Zufluchtsstaaten der Kurden wie Syrien sind sie ausreichend. Wie auch gegen die ganze übrige Bevölkerung. Und überhaupt: Wieso wollte ein Land, das Menschenrechte missachtet, ausgerechnet durch die Lieferung von Waffen belohnt werden? Das letzte Argument der Befürworter: Wer die Türkei an Europa heranführen will, muss ihr auch im Rüstungsbereich entgegenkommen. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Zuerst einmal muss mit dem Beitrittskandidaten über verbindliche moralische und politische Standards geredet werden, bevor man ihm hochbrisante Güter liefert. Der jetzt von Rot-Grün beschlossene Kompromiss ist faul. Man legt keinen Köder aus, wenn man nicht will, dass angebissen wird. Die Grünen sind eingeknickt, weil sie den Koalitionsbruch fürchteten. Es bleibt alles beim Alten: Das Fressen kommt vor der Moral. erarbeitet von Kuchler, Harald |