jw, 27.10.99 Öcalan hilft nur politischer Druck Pressekonferenz mit Anwalt des PKK-Führers in Hamburg. BRD soll Unterstützung für Türkei verweigern Am 29. Juni 1999 wurde der Vorsitzende der Kurdischen Arbeiterpartei, Abdullah Öcalan, zum Tode verurteilt. Knapp vier Monate später, am 21. Oktober, begann das Revisionsverfahren vor dem Kassationsgericht in Ankara. Anläßlich des Prozeßbeginns hatte die Internationale Initiative »Freiheit für Abdullah Öcalan« zu einer Pressekonferenz in Hamburg mit einem der über hundert Anwälte Öcalans eigeladen. Bei dem Prozeß gegen Abdullah Öcalan sei nicht einmal türkisches, geschweige denn international geltendes Recht eingehalten worden, äußerte sich Anwalt Aydin Oruc gegenüber den Medienvertretern. Öcalans Anwälte fordern die Wiederaufnahme des Verfahrens unter Beachtung der Grundsätze der Europäischen Menschenrechtskonvention. Sie fordern, Öcalan in einem neuen Prozeß nicht wegen Hochverrats, sondern wegen Führung einer verbotenen Organisation anzuklagen. Damit könne das Todesurteil in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt und die Hinrichtung verhindert werden. Das Kassationsgericht unter dem Vorsitz von Richter Demirel Tavil vertagte sich indessen und kündigte seine Entscheidung für den 25. November an. Öcalan habe die bestmögliche Verteidigung, die er bekommen könne, so Oruc. Trotzdem rechneten die Anwälte nicht mit der Wiederaufnahme. Auch wenn das Kassationsgericht damit ebenfalls gegen die europäischen Rechtsgrundsätze verstieße. Der Kampf gegen die Hinrichtung Abdullah Öcalans sei nicht nur ein juristischer, sondern vor allem ein politischer. Dem Asylgesuch Abdullah Öcalans sei von einem italienischen Gericht am 4. Oktober zugestimmt worden. »Das war ein notwendiges politisches Signal auf europäischer Ebene, vor allem, weil dem PKK-Vorsitzenden in dem Urteil ausdrücklich ein politischer Status anerkannt wurde«, resümierte Oruc. »Allerdings«, fügte er auf Nachfrage von jW hinzu, »ist es eine Illusion zu glauben, daß Öcalan nach Italien ausreisen darf. Auch wenn Italien einen Auslieferungsantrag stellt.« Zu der Pressekonferenz war auch Irfan Cüre, Journalist der in der Türkei erscheinenden kurdischen Tageszeitung Özgür Bakisch (Freier Blick) und Vertreter der Türkischen Initiative zur Verteidigung des Lebens von Abdullah Öcalan, eingeladen. Auch für ihn ist politischer Druck die einzige Möglichkeit, die Hinrichtung zu verhindern: »Im Kampf um das Leben von Abdullah müssen jetzt die demokratischen Kräfte in der Türkei unterstützt werden. Auch die deutsche Regierung muß jetzt ihre Verantwortung wahrnehmen. Aber politischer Druck allein reicht nicht aus. Das wirksamste Mittel, das die Bundesregierung einsetzen kann, ist die Verweigerung von wirtschaftlicher und militärischer Hilfe.« Am Morgen des 21. Oktober, noch bevor der Prozeß vor dem Kassationsgericht begann, kam in Ankara der ehemalige türkische Kulturminister und <Bild: Abbildung> Kolumnist der Tageszeitung Cunhürriyet, Ahmet Taner Kischlali, durch einen Autobombenanschlag ums Leben. Alle Journalisten wurden vom Gericht zum Unfallort abgezogen (AP-Foto: Während der Beisetzungszeremonie von Kischlali). Nach Ansicht Cüres ging es aber nicht nur darum, vom Prozeß abzulenken: »In Regierungskreisen wird darüber diskutiert, wer die Brandstifter sind. Als Drahtzieher kämen nur die USA oder Europa in Frage, heißt es in amtlichen Verlautbarungen.« Seiner Einschätzung nach, so der türkische Journalist weiter, sei das Attentat aber weder im Auftrag der USA noch Europas verübt, sondern vom Nationalen Sicherheitsrat der Türkei inszeniert worden. So würden äußere Feinde geschaffen und in der Bevölkerung der Gedanke der Militärmacht verankert. Birgit Gärtner |