Berliner Morgenpost, 28.10.99 Grüne stützen Giftgas-Hilfe für Türkei Hardthöhe spricht von Schutzmaßnahmen gegen Angriffe. Verweis auf Gefahr durch Nachbarstaaten Von Kirstin Wenk Berlin - Angelika Beer, verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, vertraut der Hardthöhe. Es sei legitim, der Türkei Know how über ein C-Waffen-Labor zu vermitteln. Es gebe keinen Grund anzunehmen, dass die Türkei gegen die C-Waffen-Konvention verstoßen habe. Wenn sich alles so herausstellen sollte, wie vom Verteidigungsminister dargestellt - und daran habe sie keinen Zweifel - dann sei dies mit Rückendeckung der Grünen geschehen. «Kein Anlass für einen neuen Koalitionskonflikt», sagte Frau Beer gestern, nachdem sie zum ersten Mal im Verteidigungsausschuss über das Labor unterrichtet worden ist. Beers verständnisvolle Haltung stösst bei Kritikern der militärischen Kooperation mit der Türkei auf Unverständnis. «Frau Beer weiß doch genau, wie es läuft», sagt Hans Branscheidt, Sprecher von medico international. Der Giftwaffen-Experte beschäftigt sich seit 13 Jahren mit der Türkei. «Die Türkei hat oft genug bewiesen, dass sie militärische Geräte und Informationen für Angriffe gegen Kurden missbraucht.» Branscheidt erinnert an Panzer aus NVA-Beständen, die angeblich nicht für Kampfzwecke geeignet waren, aber doch bei Kämpfen eingesetzt wurden. «Das Problem ist, dass man nicht wirksam überprüfen kann, was die Türkei mit Lieferungen macht. Die Bundeswehr kann ja dem türkischen Militär keinen Chemiker ins Labor setzen.» Branscheidt geht davon aus, dass auch chemische Stoffe geliefert wurden, ansonsten seien die Experimente unbrauchbar. «Dabei handelt es sich sicher nicht nur um CS-Gas, das bei innerstaatlichen Konflikten erlaubt ist. Denn da muss man nichts testen. Jeder Demonstrant weiß, wie man sich dagegen schützen kann.» CS-Gas kann in hochkonzentrierten Mengen zum Tod führen. Nach Angaben Brandscheidts sind im Frühjahr Kurden nach einem CS-Gas-Einsatz umgekommen. Das Wirtschaftsministerium bestätigte gestern die Lieferung von CS-Gas-Proben an die Türkei Mitte der 90-er Jahre. Dabei handle es sich um Proben im Wert von 1200 und 2500 Mark. Auch aus heutiger Sicht spreche nichts gegen die Lieferungsgenehmigung. Zu dem von der Türkei gewünschtem Labor sagte das Verteidigungsministerium, man wolle der Türkei nicht ermöglichen, C-Waffen herzustellen, sondern Abwehrmaßnahmen im Falle eines Angriffes zu treffen. Beispielsweise sollten ABC-Schutzausrüstungen wie Anzüge, Handschuhe, Stiefel und Masken getestet werden können. Auch Ottfried Nassauer, Waffenspezialist vom Berliner Informationszentrum für transatlantische Sicherheit, hält es für möglich, dass nur harmlose Geräte geliefert wurden: «Man muss der Türkei das Recht auf Selbstverteidigung zugestehen. Schließlich basteln alle ihre Nachbarländern an Giftgasen.» Die Türkei sucht ein mobiles Labor, das auf Lastwagen transportiert werden kann. Seit der Golfkrise Anfang der 90-er Jahre hatte die Bundesrepublik ihren Spürpanzer «Fuchs», dessen Ausrüstung derartige Analysemöglichkeiten bietet, Israel und den USA zur Verfügung gestellt. Scharfe Kritik kam jedoch von der PDS. Die militärische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Türkei sei ein «Skandal», sagte Heidi Lippmann, abrüstungspolitische Sprecherin der PDS-Fraktion. Das müsse sofort aufhören. Die PDS werde rechtliche Schritte gegen die Bundesregierung wegen eines möglichen Verstoßes gegen die C-Waffen-Konvention prüfen. |