jw, 28.10.99 C-Waffen-Labor als Exportschlager Bundesregierung will neuesten Deal nicht mal als Waffengeschäft anerkennen »Mir sträubten sich die Nackenhaare, als ich die Nachricht über die Unterstützung der Bundeswehr bei Lieferung und Aufbau eines C-Waffen-Labors für das türkische Heer hörte«, sagt Jens-Peter Steffen von den Ärzten für die Verhinderung des Atomkrieges (IPPNW) gegenüber jW. Schließlich seien solche Labors auch für die Vorbereitung einer Giftgasproduktion nutzbar. »Auf den Prüfstand gehört jetzt die ganze Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung. Es ist charakteristisch, daß auch dieser Export erst durch die Medien öffentlich bekannt wurde«, betont Steffen. Vor dem Hintergrund dieses Planes und anderer Fälle vermißt er eine »positive, friedensschaffende Außenpolitik. Selbst beim Rüstungsexport würden Menschenrechte auch unter Rot- Grün »dem Primat der Ökonomie geopfert«. Von Regierung und Bundeswehr wird der Labor- Export betont lässig behandelt. So erwartet der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, keine zusätzliche Belastung der rot- grünen Koalition. Schmidt sagte am Mittwoch vor Journalisten in Berlin, das Labor sei allein zu Verteidigungszwecken angelegt, es handele sich nicht um eine Waffenlieferung. Die Begründung des Verteidigungsministeriums halte er für akzeptabel: Die Türkei sei von Staaten umgehen, die C-Waffen besitzen. Auch das Verteidigungsministerium hatte erklärt, daß das C-Labor die Türkei lediglich in die Lage versetze, sich auf die Abwehr von chemischen Angriffen einzustellen. Es sei eine »rein defensive Maßnahme« und diene dem Schutz der Soldaten und der Zivilbevölkerung. Das Verteidigungsministerium habe dem Wunsch der Türkei entsprochen, weil das Land in Nachbarschaft von Nationen liege, die nachweislich über C-Waffen verfügen. Im September liefen zum Labor Verhandlungen deutscher Rüstungsfirmen mit türkischen Militärs. Nach Recherchen des ZDF-Magazins »Kennzeichen D« liegen auch ernst zu nehmende Hinweise vor, nach denen die Türkei unter Verwendung von deutschem Kampfgas gegen die C-Waffen-Konvention verstoßen habe. Demnach habe die türkische Armee am 11. Mai 1999 in der Nähe von Balikaya südöstlich von Sirnak CS- Gas gegen PKK-Kämpfer eingesetzt, die sich in eine Höhle zurückgezogen hatten. Durch den Angriff waren nach PKK-Angaben 20 Aufständische umgekommen. Die Gaspatronen wurden von den Firmen Buck und Depyfag hergestellt und mit Genehmigungen der Regierung seit 1995 in die Türkei exportiert. Das Verteidigungsministerium betonte dazu, mit einer möglichen CS-Gas-Lieferung einer deutschen Firma, wie es »Kennzeichen D« suggeriere, habe die Bundeswehr »nicht das Geringste zu tun«. »Die Bundeswehr war und ist an solchen Geschäften nicht beteiligt, geschweige denn für sie verantwortlich«, hieß es Die PDS hat indes die Bundesregierung aufgefordert, »sofort jegliche militärische Zusammenarbeit« mit der Türkei einzustellen und den Bundestag noch am Mittwoch im Verteidigungsausschuß »lückenlos« über die bisherige Zusammenarbeit zu informieren. Die Friedens- und Abrüstungsexpertin der PDS-Fraktion, Heidi Lippmann, erklärte in Berlin, durch den ZDF-Bericht habe sich bestätigt, daß die Türkei anscheinend mehrfach C-Waffen eingesetzt habe. Ihre Fraktion werde rechtliche Schritte gegen die Bundesregierung wegen des Verstoßes gegen die C-Waffen-Konvention prüfen. Das Ausmaß der militärischen Zusammenarbeit zwischen BRD und Türkei sei ein »Skandal«, erklärte Lippmann. Bernd Verter |