fr, 17.11.99 Altfall-Regelung soll nur wenige Flüchtlinge schützen Arbeitsgruppe von Bund und Ländern schlägt Lösung wie unter der Kohl-Regierung vor / Bosnier nicht berücksichtigt Von Vera Gaserow Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Innenminister hat sich offenbar auf eine restriktive Altfall-Regelung für Asylbewerber und Flüchtlinge verständigt. Für die am morgigen Donnerstag beginnende Innenministerkonferenz in Görlitz liegt eine Beschlussempfehlung vor, die nur einem sehr kleinen Kreis dieser Menschen ein Bleiberecht gewähren würde. BERLIN, 16. November. Eine humanitäre Regelung für bereits lange in Deutschland lebende Asylbewerber und Flüchtlinge ist ein Versprechen des rot-grünen Koalitionsvertrags im Bund. Nach monatelangen Verhandlungen und zähem Widerstand nicht nur aus unionsregierten Ländern hat eine dafür eingesetzte Arbeitsgruppe jetzt einen Beschlussentwurf vorgelegt, über den die Innenministerkonferenz entscheiden soll. Erarbeitet wurde die Vorlage von den Ländern Rheinland-Pfalz, Hamburg, Sachsen, Bayern und dem Bundesinnenministerium. Das Papier, das der Frankfurter Rundschau vorliegt, sieht eine Stichtagsregelung vor. Demnach sollen Asylbewerber- und Flüchtlingsfamilien mit minderjährigen Kindern eine befristete Aufenthaltsbefugnis bekommen, wenn sie mindestens seit Juli 1993 in Deutschland leben. Für kinderlose und alleinstehende Flüchtlinge soll der Einreisestichtag 1. Januar 1990 gelten. Zusätzliche Voraussetzung für ein Bleiberecht nach dieser Regelung: Die Flüchtlinge müssen den Lebensunterhalt der gesamten Familie durch legale Erwerbstätigkeit und ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfe bestreiten und ausreichend großen Wohnraum nachweisen. Für die größte Flüchtlingsgruppe, die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina und anderen Teilen des ehemaligen Jugoslawien, sowie für vietnamesische Staatsangehörige soll diese Regelung ausdrücklich nicht gelten. Sie sind, so empfiehlt die Arbeitsgruppe in ihrer Vorlage für die Innenministerkonferenz, "von dieser Bleiberechtsregelung ausgenommen". "Unzureichend", "engherzig" und eine "blamable Scheinlösung" nennt die Flüchtlingsorganisation "Pro Asyl" die Beschlussvorlage. Tatsächlich decken sich die Empfehlungen fast bis aufs i-Tüpfelchen mit der Altfall-Regelung, die die Regierung Kohl 1996 erlassen hatte. Auch damals war ein humanitäres Bleiberecht an einen Einreise-Stichtag gekoppelt. Nur Flüchtlinge, die bereits länger als sechs beziehungsweise neun Jahre in Deutschland gelebt hatten, waren von jener Altfall-Regelung begünstigt. Genau wie im jetzigen Entwurf mussten Anwärter eine feste Arbeit nachweisen, die sie und ihre Familien von staatlichen Sozialleistungen unabhängig machte. Die geringe Wirkung der damaligen Regelung kam selbst für die Innenminister überraschend. 60 000 bis 80 000 Flüchtlinge könnten potenziell von der Bleiberechtsregelung profitieren, lauteten die anfänglichen Schätzungen. Tatsächlich waren es nur 7800 Menschen, die ein Bleiberecht erhielten. Die große Mehrheit scheiterte vor allem an den hoch gesteckten sozialen Hürden. Noch ist aber nicht einmal sicher, ob die jetzt vorgeschlagene Neuauflage der alten Altfall-Regelung eine Mehrheit findet. Bayern hat, obwohl auch in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vertreten, für die Innenministerkonferenz einen eigenen Beschlusstext vorbereitet. Danach soll die vorgeschlagene Stichtagsregelung nur für Angehörige aus acht ausgewählten Staaten gelten. Die Hauptherkunftsländer der in Deutschland lebenden Flüchtlinge gehören sämtlich nicht dazu. |