Die Presse (Wien), 18.11.99 25.000 Polizisten schützen vor Bomben und Bettlern Istanbul hat sich für das OSZE-Treffen schön gemacht; Störenfriede sitzen hinter Schloß und Riegel. ISTANBUL (ag.). Selten noch waren die Sicherheitsvorkehrungen vor einem internationalen Großereignis derart rigoros wie vor dem am heutigen Donnerstag beginnenden OSZE-Gipfel in Istanbul. Immerhin gilt es, Leib und Leben von Spitzenpolitikern aus mehr als 50 Nationen zu schützen. Die Liste möglicher Störenfriede ist lang: angefangen von Anhängern der kurdischen PKK über links-extreme Gruppen bis hin zu tschetschenischen Terroristen. 25.000 türkische Polizisten sind im Einsatz, zusätzliche 8000 in Reserve. In großangelegten Razzien wurden schon in den vergangenen Wochen potentielle Bombenbastler und Attentäter hinter Schloß und Riegel gebracht. Versteckte Kameras überwachen an allen Ecken und Enden die neuralgischen Punkte der Bosporus-Metropole; im europäischen Teil Istanbuls werden ganze Straßenzüge abgesperrt. Den zwölf Millionen Bewohnern stehen Mega-Staus ungeahnten Ausmaßes bevor. Besonderen Schutz genießt US-Präsident Bill Clinton. Er und seine 1500 Begleiter sind in einem eigenen Hotel untergebracht, das von amerikanischen Geheimdienstleuten abgeschirmt wird. Eine Gefahr wird jedoch auch das dichteste Sicherheitsnetz nicht bannen können: die eines Erdbebens. Zuletzt lag Istanbul 1894 im Epizentrum eines Bebens. Und so tun die türkischen Behörden alles in ihrer Macht stehende, um jede auch noch so kleine - vorhersehbare - Störung des "letzten Gipfels des Jahrtausends" zu unterbinden. "Alles, was nicht nett aussieht, wird entfernt", sagte der Chef der Istanbuler Polizei, Hasan Ozdemir, jüngst. Bettler und gar zu schmutzige Straßenhändler dürfen sich bis zum Ende des OSZE-Gipfels nicht im Stadtzentrum blicken lassen. Ob auch diesmal wieder den streunenden Hunden zu Leibe gerückt wird wie vor der UN-Umweltkonferenz 1996, ist jedoch fraglich: Die Massenvergiftung der herrenlosen Vierbeiner hatte damals Tierliebhaber auf die Barrikaden gebracht. Das Auge der erlauchten Besucher soll bei etwaigen Spaziergängen nicht beleidigt werden, vor allem aber sollen sie in Ruhe in den Sälen des üppig geschmückten Ciragan-Palastes konferieren können. Schwer einzuschätzen ist die Gefahr, daß sich der genius loci des Prunkbaus am Bosporus auf die Gipfelteilnehmer überträgt. Der Palast war für den trinkfreudigen und wegen geistiger Umnachtung abgesetzten Sultan Murad V. bis zu dessen Tod im Jahr 1904 ein goldener Käfig - ein Gefängnis mit Marmorsälen und kristallenen Balustraden. |