Süddeutsche Zeitung, 19.11.1999
Streit über Bleiberecht für abgelehnte Asylbewerber SPD schlägt Regelung zu Gunsten sozial integrierter Flüchtlinge vor / Bayern will Zahl der Härtefälle begrenzen Görlitz (dpa/AP/AFP) - Die Innenminister von Bund und Ländern haben am Donnerstag in Görlitz Beratungen über das Schicksal abgelehnter Asylbewerber begonnen, die keine Möglichkeit zur Rückkehr in ihre Heimat haben. Unions- und SPD-geführte Länder bekräftigten dabei ihre unterschiedlichen Positionen. Der Ministerrunde liegt unter anderem ein Vorschlag des rheinland-pfälzischen Innenministers Walter Zuber (SPD) vor, wonach sozial integrierte Flüchtlinge, die nicht abgeschoben werden können, ein Bleiberecht erhalten sollen, wenn sie bis Januar 1990 eingereist sind. Für Flüchtlinge mit Kindern soll als Stichdatum der Juli 1993 gelten. Flüchtlingsorganisationen und Kirchen fordern seit langem eine solche Ausnahme. Zuber sagte, von der Altfallregelung könnten 30 000 bis 40 000 Menschen profitieren. Weitere Themen der zweitägigen Konferenz sind die Rückführung von Kosovo-Flüchtlingen, ein Verbot von Kampfhunden und eine schnellere Bestrafung von Ladendieben. Mehrere CDU-Minister forderten eine Paketlösung in der Flüchtlingsfrage. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sagte, eine Stichtagslösung sei nur sinnvoll, wenn auch über kürzere Asylverfahren und das Asylbewerberleistungsgesetz verhandelt werde. Zu diesem Gesetz liegt ein Antrag Baden-Württembergs im Bundesrat vor, für alle Asylbewerber den um 20 Prozent gesenkten Sozialhilfesatz beizubehalten. 1996 war für die Kürzung eine Übergangsfrist von drei Jahren beschlossen worden. Der Kompromissvorschlag einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Zubers Vorsitz sieht vor, Vietnamesen und Asylbewerber aus dem früheren Jugoslawien von der Altfallregelung auszunehmen. Sachsens Innenminister Klaus Hardraht (CDU) zufolge soll es nach dem Willen aller Länder die letzte Altfallregelung sein. Bereits 1996 vereinbarten die Länder ein solches Bleiberecht, von dem etwa 7000 Ausländer profitierten. Hardraht sprach sich zudem dafür aus, die Gesamtdauer von Asylverfahren auf höchstens neun Monate zu begrenzen. Bei der Härtefallregelung geht es um abgelehnte Asylbewerber, die nicht zurück können, etwa weil ihr Heimatland die Aufnahme verweigert. Voraussetzung für einen weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik ist, dass sie sich hier nicht strafbar gemacht haben und nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind. Bayern befürwortet eine Regelung, bei der nur wenige Flüchtlingsgruppen und Nationalitäten in die Härtefallregelung einbezogen werden sollen. Landesinnenminister Günther Beckstein (CSU) sagte, es dürften keine Anreize geschaffen werden, die Asylverfahren hinauszuzögern in der Hoffnung auf eine Altfallregelung. Mehrere SPD-Minister betonten hingegen, es müssten humanitäre Lösungen für die seit längerem in Deutschland lebenden Asylbewerber gefunden werden. Das Asylrecht selbst, über das Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) eine Debatte entfacht hat, steht nicht auf der Tagesordnung der Konferenz in Görlitz. Schily hatte auf die Notwendigkeit verwiesen, das Asylrecht im EU-Rahmen zu harmonisieren, und es als illusorisch bezeichnet, dass man sich dabei auf den deutschen Standard einigen könne. Dafür war er von Politikern der SPD und der Grünen kritisiert worden. |