Frankfurter Rundschau, 19.11.1999
Beim Schutz von Flüchtlingskindern bleibt Schily hart Grüne dringen bislang vergeblich auf Ende des Flughafenverfahrens für Minderjährige / "Deutschland stellt sich ins Abseits" Von Pitt von Bebenburg (Frankfurt a. M.) Am Frankfurter Flughafen treffen unbegleitete Flüchtlingskinder aus aller Welt ein. Derzeit werden dort Räume eingerichtet, die speziell für die Minderjährigen vorgesehen sind. Doch unklar ist, wie lange die Unterkunft gebraucht wird: Die Grünen wollen in der Koalition durchsetzen, dass die Internierung von Flüchtlingskindern am Flughafen aufhört. Zum Jahrestag der Kinderkonvention melden sich Flüchtlingsinitiativen zu Wort. Eine ihrer Forderungen lautet: Minderjährige Asylbewerber aus dem Flughafenverfahren herausnehmen. Bisher würden Jugendliche über 16 wie Erwachsene behandelt. Jüngere würden in der Regel schnell vom Flughafen nach Frankfurt gebracht, wo sich Jugendbehörden um sie kümmerten. Doch wenn jetzt eine eigene Unterkunft für Kinder hergerichtet wird, so die Befürchtung, könnten auch Jüngere länger festgesetzt werden. Solange Flüchtlinge dem Flughafenverfahren unterliegen, dürfen sie eine enge Gemeinschaftsunterkunft auf dem Airport nicht verlassen. Diese Regelung war mit der Verschärfung des Asylrechts 1993 eingeführt worden ebenso wie die "Drittstaaten-Regelung", derzufolge Flüchtlinge gar nicht nach Deutschland einreisen dürfen, wenn sie aus einem "sicheren" Land kommen. Nach Ansicht des Sprechers von Pro Asyl, Heiko Kauffmann, verstoßen beide Vorgaben gegen die Kinderrechtskonvention. Asylsuchende Kinder würden wie Erwachsene behandelt - "ohne Beachtung und Berücksichtigung der besonderen Schutzbedürftigkeit, einer erforderlichen Inobhutnahme und entsprechender Kinderschutzmaßnahmen." Diese Argumentation teilen Bündnis 90/Die Grünen. Sie haben das Thema jüngst in einer Koalitionsrunde angesprochen, wie ihre Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz berichtet. Doch über ihre Forderungen, Kinder aus dem Flughafenverfahren herauszunehmen und die Vorbehalte der Bundesrepublik gegen die UN-Kinderkonvention zurückzunehmen, gibt es bisher keine Einigung mit der SPD. Insbesondere Innenminister Otto Schily (SPD) leistet Widerstand. Er nennt das Flughafenverfahren notwendig - "auch für Minderjährige". Denn, so Schily: "Nur weil jemand keine 18 Jahre alt ist, hat er nicht automatisch ein Einreiserecht." Der Vorbehalt gegen die Kinderrechtskonvention, den noch die Kohl-Regierung eingelegte, nimmt Einschränkungen gerade in Hinsicht auf das Ausländerrecht vor. Schily übernimmt die Position der CDU/CSU/FDP-Regierung: "Dieser Vorbehalt bleibt bestehen", sagt er und fährt fort: "Ich verstehe die Vorwürfe nicht. Wodurch werden denn durch diesen Vorbehalt Kinderrechte verletzt?" Auch Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) soll am Vorbehalt festhalten. Beide Minister befürchteten, "dass zu viele unbegleitete Flüchtlingskinder unberechtigt nach Deutschland kommen und möglicherweise einen Anspruch auf Aufenthalt haben könnten", berichtet die FDP-Abgeordnete Sabine Leutheusser-Schnarrenberger über Positionen, die im Menschenrechts-Ausschuss des Bundestags vorgetragen wurden. Für sie ist das ein Indiz, dass sich die Koalition "in ihrer realen Politik nicht um die Menschenrechte schert". Damit begebe sich Deutschland "auch in der Europäischen Union ins Abseits". |