taz 19.11.1999
Auch zum 10. Geburtstag keine Geschenke Die UN-Kinderrechtskonvention existiert nun schon seit einem Jahrzehnt. Doch mit der Umsetzung steht es in Deutschland nicht zum Besten. Arme und ausländische Kinder haben das Nachsehen Von Tina Stadlmayer Berlin (taz) - Die UN-Kinderrechtskonvention hat morgen Geburtstag. Aber die Bilanz von zehn Jahren verbrieften Kinderrechten sieht nicht allzu rosig aus - darüber waren sich Vertreter der Kinderkommission des Bundestages und verschiedener Verbände einig, die sich anlässlich des Jahrestages in Berlin trafen. Die UN-Konvention legt das Recht des Kindes auf "Schutz und Fürsorge, die zu seinem Wohlergehen notwendig sind", sowie das Recht auf Schulbildung und Gesundheitsversorgung fest. Diese Rechte aber werden armen und ausländischen Kindern in Deutschland zum Teil vorenthalten. Michael Klaus von der UN-Kinderhilfsorganisation Unicef berichtete, dass in der Bundesrepublik etwa 160.000 Kinder von nicht anerkannten Asylbewerbern leben. Sie hätten keinen Anspruch auf eine umfassende Gesundheitsversorgung, sondern nur auf "akute Schmerzbehandlung". So sei zum Beispiel einem 10-jährigen Jungen aus Bonien, der nicht gehen kann, ein Rollstuhl verweigert worden. Walter Wilken vom Kinderschutzbund kritisierte, dass in Deutschland drei Millionen Kinder in Armut lebten: "Ihre Bildungschancen sind reduziert, sie sind schlechter ernährt, und ihre psychische und soziale Entwicklung ist gefährdert." Er forderte von der Regierung ein "Programm zur Bekämpfung der Kinderarmut". Außerdem müsse sie analog zum Amt der Ausländerbeauftragten das eines Kinderbeauftragten schaffen. Am eklatantesten verstoße die Bundesregierung bei der Behandlung von allein reisenden Flüchtlingskindern gegen den Geist der Kinderrechtskonvention: "Es sind aufs Äußerste geschundene Kinder, denen ihre Kinderrechte verweigert werden", so Wilken. Michael Klaus von Unicef ergänzte: "Allein reisende Flüchtlingskinder werden am Flughafen in Frankfurt am Main wie im Gefängnis festgehalten." Sie dürften nicht an die frische Luft und würden nicht ordentlich betreut. Klaus forderte Innenminister Schily auf, den Erlass seines Vorgängers Manfred Kanther, der das Flughafenverfahren eingeführt hatte, zurückzunehmen. Der Bundestag habe die Regierung vor kurzem aufgefordert, die Vorbehalte der Kohl-Regierung gegen die UN-Kinderrechtskonvention offiziell zurückzunehmen. Doch Innenminister Otto Schily ist dazu nicht bereit. Er befürchtet, dass Kinder dann aus dem Flughafenverfahren herausgenommen werden müssen. Denn die UN-Konvention gibt vor, dass Kinder inländischer und ausländischer Herkunft gleich behandelt werden müssen und das Kindeswohl immer Vorrang hat. Auch Heiko Kaufmann von Pro Asyl warf der Bundesregierung vor, "dass sich das deutsche Ausländer- und Asylrecht noch immer nicht im Einklang mit den Völkerrechtsnormen befindet." Er berichtete von einem 15-jährigen Mädchen aus Eritrea, das seit dem 3. November "unter haftähnlichen Bedingungen" am Frankfurter Flughafen festgehalten wird. Sie war im Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea als Sänitäterin an der Front und wurde dabei verletzt. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte ihren Asylantrag als unbegründet ab. |