junge Welt 23.11.1999
Tradition der deutsch-türkischen Waffenkumpanei Die alte Bundesregierung legte den Grundstein zu Schröders Türkei-Politik Unmittelbar vor der Bundestagswahl im letzten Jahr hat nach Angaben der Frankfurter Rundschau die Türkei die Genehmigung zur Lizenzproduktion von modernen Heckler&Koch- Gewehren erhalten. Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Siegmar Mosdorf, bestätigte auf Anfrage der grünen Parlamentarier Angelika Beer und Christian Sterzing, daß die Türkei eine Lizenzproduktion und die Lieferung kompletter Gewehre beantragt habe. Während eine Entscheidung zur Lieferung der Gewehre noch nicht gefallen sei, so Mosdorf, habe die alte Bundesregierung im Sommer letzten Jahres die Ausfuhr von Ausrüstung, Einzelteilen, Technologieunterlagen und Software zur Herstellung des automatischen Gewehres HK 33 erteilt. Damit hat die CDU/CSU/FDP-Regierung in der Kontinuität einer engen deutsch-türkischen Waffenbrüderschaft dem Wunsch des türkischen Militärs entsprochen, mit der Lieferung ganzer Industrieanlagen oder der Genehmigung zur Lizenzproduktion im eigenen Land die Abhängigkeit von den führenden Rüstungsproduzenten der Welt zu verringern. Während bis in die achtziger Jahre hinein mangels einer eigenen, relevanten Rüstungsindustrie die türkischen Streitkräfte am »Waffentropf« der USA und der Bundesrepublik hingen - über 90 Prozent aller Rüstungslieferungen in die Türkei kamen lange Zeit aus diesen beiden Ländern -, gelang es dem Nachbarn Griechenlands in den letzten Jahren, durch den Import von Industrieanlagen, der Gründung von Gemeinschaftsunternehmen mit deutschen Rüstungsfirmen und der Gewährung von Lizenzproduktionen selbst zu einem bedeutenden Waffenproduzenten zu werden. Dabei konnte die Türkei meistens auf das Entgegenkommen in Europa zählen. Als zum Beispiel das über eine Waffenfabrik im niedersächsischen Liebenau verfügende Unternehmen Eurometaal 1992 einen Antrag zur Genehmigung des Exports von 18 000 Sprenggranaten stellte, eine Waffe, die nach eigenen Werbeaussagen »zur Vernichtung weicher, halbfester und fester Ziele« dient (»weiche Ziele« sind in der militärischen Sprache Menschen - d. A.), signalisierten die Behörden zwar, daß sie dieses Geschäft nicht genehmigen könnten. Doch über den Umweg Holland gelangten die Sprenggranaten doch noch in die Türkei. Die Fabrik wurde kurzerhand komplett in die Türkei »verlegt«, und die »Vernichtung weicher Ziele« ging bekanntermaßen in den letzten Jahren unvermindert weiter. Lizenzproduktionen und Tochtergesellschaften erfüllen aus Sicht europäischer Regierungen einen wichtigen Zweck und sind gerade von der Bundesregierung in großer Zahl genehmigt worden. Um sich selber die Hände nicht »schmutzig« machen zu müssen, sind sie später sowohl dem an dem Geschäft beteiligten Land nützlich als auch eine geeignete Methode, nationale Rüstungsexportbestimmungen außer Kraft zu setzen: Belegt ist, daß die Türkei ihre in Lizenz gefertigten Waffen nicht nur bei der eigenen Kriegsführung einsetzt, sondern diese an befreundete Länder weiter exportiert. Thomas Klein |