Frankfurter Rundschau, 23.11.1999

Kommentar

Die neue Kälte

Die politische Klasse schreibt die Asyldebatte von damals fort - hoffentlich ohne die gleichen Folgen

Von Axel Vornbäumen

Wenn Otto Schily, der Innenminister, von "Wirtschaftsflüchtlingen" redet, wenn Walter Döring, der FDP-Vize, laut über die "Abschaffung des Individualrechts auf Asyl" nachdenkt und FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle beide in die Schranken weist, dabei aber behauptet, dass es einen "großen Asylrechtsmissbrauch" gebe - ist das dann schon eine Debatte? Ja. Leider.

Noch fehlt die einschlägig bekannte "Das-Boot-ist-voll"-Metaphorik - und doch: Es ist wieder kälter geworden, am Standort D. Die politische Klasse munitioniert sich, als wäre die Kausalkette in Vergessenheit geraten, die bei der vorigen Asyldebatte in diesem Land geradewegs vor die Asylbewerberheime geführt hat. Damals stand der Mob vor den armseligen Unterkünften, bierselig gelegentlich, aber meist bei vollem Bewusstsein, bereit, die Exekutive zu spielen, notfalls auch mit Molotowcocktails. Alles schon verdrängt?

Geht das nun wieder los? Wollen wir nicht hoffen. Mangelt auch an Gelegenheiten. Sind ja längst nicht mehr so viele da wie damals. Doch Vorsicht. Vielleicht sollten die Folien für die einschlägige Betroffenheitsrhetorik schon einmal parat gelegt werden. Denn natürlich ist mit der vorigen Gesetzesverschärfung auch das Bauchgefühl bei den Massen gestärkt worden: Es gibt ihn, den Unterschied zwischen dem gutem und dem schlechten Ausländer. Den einen wollen wir, bei Bedarf. Den anderen wollen wir nicht.

Nun schreibt die politische Klasse die Debatte von damals fort. Die gleichen Argumente, die gleiche Terminologie . . . Die gleichen Folgen?