Kurier (Österreich), 23.11.1999
Europa überlässt den USA mehr als nur eine Nische KOMMENTAR: Livia Klingl über beständige Profilierung der USA in Südost-Europa If it's Tuesday, it must be Belgium, war der Titel eines Films über amerikanische Touristen, die eine Europa-Reise in acht Tagen absolvieren. Falls gestern Dienstag war, musste das Ziel wohl Kosovo heißen, könnte sich Bill Clinton gedacht haben. In zehn Tagen bereiste er den halben Kontinent. Der gar nicht wie eine lame duck (eine lahme Ente gegen Ende der Präsidentschaft ) agierende Amerikaner half der Türkei, sich vor den Toren EU-Europas zu positionieren. Dem im Reformansatz steckenden Bulgarien dankte Clinton - nicht nur verbal, sondern auch monetär - für die Loyalität gegenüber der NATO während des Jugoslawien-Krieges. In Griechenland endete die Kurzvisite mit versöhnlicher Geste. Im Kosovo lief Clinton zu absoluter Hochform auf. Wie ein Halbgott wurde er empfangen, von Sternenbanner-Fähnchen schwingenden, jubelnden Menschenmassen. Davor lag noch ein Trip nach Florenz, wo hochkarätige Politiker darüber nachdachten, wie Arbeitslosigkeit in einer globalisierten Welt zu verringern sei. So, könnte man antworten. So, wie es Clinton tut. Man widme Europa Zeit und werde Erfolge einfahren. Politische sowieso, aber auch andere. Ein erklecklicher Teil jenes Geldes, das in eine Wirtschaft im Aufbau gepumpt wird, fließt nämlich in das Ursprungsland zurück. Später kommen noch arbeitsplatzschaffende Verträge über den Wiederaufbau von Wasserleitungen, Brücken, Bahnlinien oder die Privatisierung der Telekom hinzu. Europas Leader haben dieses Gesetz nicht erkannt. Wohl besucht der eine oder andere Minister oder Kanzler von Zeit zu Zeit "seine Soldaten" im Kosovo oder in Bosnien. Von längeren Reisen auf den zu stabilisierenden Balkan sehen die Herrschaften aber ab. Bedauerlicherweise. Noch bedauerlicher ist aber, dass man in den Couloirs westeuropäischer Ministerien die Sportart "Schimpfen auf die Amis" liebt, die sich "überall" einmischen und Regeln wie Richtung bestimmen. Tatsächlich nehmen sie nur jenen Raum ein, den ihnen die unkoordinierten EU-Stabilisations-Ankündiger mangels Präsenz, Interesse und Ideen überlassen. Das wiederum geschieht, weil Europa primär damit beschäftigt ist, dem - nationalen - Proporz zu frönen. Wenn der Chef einer friedensstiftenden Organisation Franzose ist, muss der Vize Brite sein. Oder Italiener, oder Deutscher oder..., ob qualifiziert oder nicht. Das Ergebnis lautet Selbstblockade. |