Standard (Österreich), 25.11.1999 "Potemkische Dörfer" für türkische Bebenopfer Istanbul - Mehr als 100.000 Menschen leben in den Erdbebengebieten im Nordwesten der Türkei (rund drei Monate nach der Katastrophe) noch immer auf der Straße, ihre Lage wird mit jedem Tag eher schlimmer als besser. In der Nacht auf Mittwoch setzte der Herbststurm Lodos ein, der noch mehr Regen und Kälte brachte. Viele der Zeltstädte sind bereits überflutet. Das Versprechen der Behörden, allen Erdbebenopfern bis Ende November einen Platz in einer Fertigteilhütte zu sichern, ist nicht zu halten. Von 26.000 Kleinhäusern, die bis kommende Woche stehen sollten, sind nach einer Zählung der Zeitung Radikal erst 4300 fertiggestellt. Angesichts der vielen Pannen werfen die Islamisten der Regierung bereits vor, bei der perfekten Vorbereitung und Ausführung des Istanbuler Gipfeltreffens der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vergangene Woche wesentlich mehr Engagement gezeigt zu haben als bei der Versorgung der obdachlosen Erdbebenopfer. Und die Kritiker des Staates erhalten fast jeden Tag eine neue Bestätigung für ihre Haltung. So berichtete die Zeitung Milliyet, dass die Zeltstadt Dogukisla in der Nähe von Izmit für den Besuch von US-Präsident Bill Clinton vergangene Woche nach dem Vorbild Potemkinscher Dörfer herausgeputzt wurde. "Als der US-Präsident wieder weg war, wurden die Arbeiten eingestellt." (APA)
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