Neue Züricher Zeitung, 25.11.1999 Türkei nicht euphorisch über IMF-Abkommen Zu hohe Erwartungen nicht erfüllt paz. Istanbul, 24. November Am späten Dienstagabend haben sich die Türkei und der Internationale Währungsfonds (IMF) auf ein über drei Jahre angelegtes Programm zur Inflationsbekämpfung geeinigt. Wie bereits kurz gemeldet, erhält Ankara dazu ein Beistandsdarlehen von 3,5 Mrd. $. Wenn man zu diesem Betrag die 500 Mio. $ addiert, die Ankara im Oktober vom IMF als Nothilfe zum Wiederaufbau nach dem verheerenden August-Erdbeben erhalten hat, entspricht dies dem Dreifachen der türkischen IMF-Quote. Dies ist das Maximum, das an Länder ohne Zahlungsbilanzkrise vergeben wird, wie der Leiter der IMF-Delegation, Carlo Cottarelli, an einer Pressekonferenz unterstrich. Trotzdem machte sich in Ankara eine gewisse Ernüchterung breit, denn die von verschiedener Seite geäusserte Hoffnung auf einen beträchtlich höheren Betrag wurde enttäuscht. Nicht zuletzt Präsident Demirel, der beim Besuch Clintons von 10 Mrd. $ gesprochen hatte, schürte diese - wie sich nun zeigt, übertriebene - Hoffnung. Die Ziele des Anti-Inflations-Programms sind ambitiös. Die gegenwärtige Jahresteuerung von rund 60% soll nach Angaben des Untersekretärs im Finanzministerium, Selcuk Demiralp, auf 25% bis Ende Jahr 2000, 10% im Jahr 2001 und anschliessend auf eine einstellige Zahl gedrückt werden. Damit sollen auch die hohen Zinsen weiter fallen und so die Wirtschaft aus ihrer gegenwärtigen Rezession führen helfen. Dieser Prozess ist bereits im Gang, und als Indikator dafür können die Renditen der Benchmark-Staatsanleihen angesehen werden, die von 90% innert weniger Wochen auf knapp über 60% gefallen sind. Für die Regierung Ecevit, die mit einer Reform der Altersrenten, einer Verfassungsänderung zur Einführung einer internationalen Schiedsgerichtsbarkeit und einem straffen Budgetvorschlag in den vergangenen Monaten mehrere Bedingungen des IMF erfüllt hat, ist das Abkommen eine Bestätigung für ihre Arbeit. Es bleibt aber noch abzuwarten, ob sie den Willen und die Kraft hat, das ganze Dreijahresprogramm durchzuziehen. Bereits das Budget des nächsten Jahres dürfte einen harten Test darstellen, scheinen doch die darin verwendeten volkswirtschaftlichen Eckdaten sehr optimistisch. Trotzdem wird es wohl ohne Probleme durch das Parlament kommen, denn die Mehrheit der Regierungskoalition ist komfortabel. Der Entwurf des Letter of Intent, auf den man sich nun geeinigt hat, soll noch nächste Woche von der Regierung unterzeichnet und nach Washington geschickt werden. Der Exekutivausschuss des IMF will das Abkommen vor Ende Jahr absegnen.
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