junge Welt 26.11.1999

Kommentar

Moralapostel Ankara will Öcalan hängen, Berlin liefert Panzer.

Die Bestätigung des Todesurteils gegen PKK-Führer Abdullah Öcalan durch das oberste Berufungsgericht der Türkei war zu erwarten. Genauso wie die offiziellen Reaktionen in Deutschland. Die Bundesregierung hält die Entscheidung vor dem Hintergrund ihrer bekannten Haltung zur Todesstrafe für »bedauerlich«. Man vertraue auf eine weise und weitsichtige Entscheidung der türkischen Regierungsspitze. Unionsexperten wie Karl Lamers »hoffen inständig«, daß das türkische Parlament sich letztlich doch noch für eine Begnadigung Öcalans einsetzt. Schließlich hätte die Türkei versichert, daß man vor der Parlamentsentscheidung natürlich den Schiedsspruch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Strasbourg abwarten werde.

Können diese Worte und Appelle ernst gemeint sein? Letztlich zählen nur Taten. Auf diesem Feld macht deutsche Politik unter Kohl oder Schröder allerdings eine ganz andere Figur. Die Türkei wurde als NATO-Partner und Pufferstaat gegen islamische und noch immer mißtrauisch beäugte ehemalige kommunistische Staaten stets militärisch unterstützt. Staatsbürgerliche Entmündigung, ja massive militärische Unterdrückung der in auswegloser Lage lebenden Kurden hatte nie ernsthaft politischen Liebesentzug oder Waffenstopp zur Folge. Mordfeldzüge gegen die Kurden wurden in Bonn und Berlin letztlich mit geschlossenen Augen akzeptiert.

Das Abnicken des Exports eines ersten Leopard- Testpanzers durch den Bundessicherheitsrat in die Türkei setzt diese Regierungspraxis nahtlos fort. Selbst wenn sich Grüne und SPD geeinigt und beruhigt haben sollten, daß über einen möglichen Export der 1 000 Leopard erst nach den Tests und einem Okay der türkische Militärs entschieden wird. Denn neben dem vieldiskutierten Panzer steht ohne große Diskussion der Verkauf von 500 000 Heckler-&-Koch-Gewehren, von Kriegsschiffen und 145 Kampfhubschraubern Tiger im Raum.

Stets hat die Bundesregierung, in welcher politischen Farbe auch immer, Machtpolitik über Menschenrechte siegen lassen. Im Rahmen der NATO-Hilfe wurde die Türkei Anfang der 90er Jahre mit »überflüssigen« Waffen der abgewickelten Nationalen Volksarmee zugeschüttet. Bleibt abzuwarten, ob empörte Grüne wie Claudia Roth die Kraft entwickeln können, nach allen Ankündigungen und Versprechen Rüstungsexporte - vielleicht durch verschärfte Rüstungsexportrichtlinien - wirklich zu verhindern. Oder ob wieder mal Kanzler Schröder das letzte Wort hat, der seinem Außenminister zugerufen haben soll, daß man den Türken nicht einerseits den Weg in die EU öffnen könne, um ihnen dann mit einem Panzer-Stopp in die Fresse zu hauen. Die Kurden haben schlechte Karten.

Bernd Verter