Berner Zeitung (CH) 26.11.1999 Kommentar Jetzt auf politischer Ebene *Jan Keetman Im Fall Öcalan beginnt ein neues Kapitel. Es ist nun am Parlament zu entscheiden, ob das Todesurteil gegen den Kurdenführer vollstreckt werden soll oder nicht. Kurden können am parlamentarischen Verfahren nicht teilnehmen. Der Grund: Die prokurdische Partei Hadep schaffte bei den letzten Wahlen den Sprung ins Parlament wegen der landesweiten 10-Prozent-Hürde nicht. Obwohl die Kurden-Partei in zahlreichen Städten das Sagen hat, ist ein Teil der Gesellschaft vom Mitentscheidungsprozess in einer für sie so wichtigen Frage ausgeschlossen. Das läuft schliesslich darauf hinaus, dass man Öcalan zum Märtyrer macht, egal ob er hingerichtet oder lebenslänglich eingesperrt wird. Wichtig ist, dass nach dem Entscheid des Berufungsgerichts jetzt auch politisch über den Fall Öcalan diskutiert werden muss. Die Türkei sollte sich eine breite öffentliche Debatte gönnen, ehe das Parlament oder in allerletzter Instanz der Staatspräsident den folgenschweren Fall abschliesst. Eine Intervention des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Öcalan kann zu einer Verzögerung führen, aber letztlich nicht zu einem anderen juristischen Entscheid. Für alle Fälle hat die Türkei noch ein zweites Gerichtsverfahren gegen den Kurdenführer in Vorbereitung. *
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