Dolomiten Online 26.11.1999 ÖCALAN / Todesstrafe Bis zum Galgen noch ein weiter Weg Die Rechtsmittel sind praktisch ausgeschöpft - Dann ist die Politik am Zug Istanbul (APA) - Mit der Bestätigung durch den Berufungsgerichtshof am Donnerstag ist das gegen PKK-Chef Abdullah Öcalan verhängte Todesurteil faktisch unumkehrbar. Zwar sieht das türkische Rechtssystem noch die Möglichkeit vor, beim Generalstaatsanwalt eine "Urteilskorrektur" zu beantragen. Weil es sich beim Amtsinhaber Vural Savas aber um einen der verbissensten Verfechter der Höchststrafe handelt, der die Todesstrafe für Öcalan schon vor dem Berufungsverfahren gefordert hatte, ist dieser Weg nur eine Formalität. Urteilskorrektur als möglicher Ausweg Dennoch kündigte die Verteidigung unmittelbar nach dem Berufungsurteil an, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Mit der erwarteten Ablehnung durch Savas erlangt das Urteil dann Rechtskraft. Der Rechtsweg in der Türkei ist für Öcalan damit ausgeschöpft. Seine Anwälte wollen zwar noch vor dem Wochenende erneut den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof anrufen; nationalistische Politiker in der Türkei machen aber geltend, dass dies keine aufschiebende Wirkung für das türkische Prozedere haben kann. Danach wird das Todesurteil im nächsten Schritt dem türkischen Parlament vorgelegt, das verfassungsgemäß jeder Hinrichtung ausdrücklich zustimmen muss. Seit 15 Jahren fast 50 unvollstreckte Todesurteile Aus politischen Erwägungen ist jedoch nicht damit zu rechnen, das dies bald geschieht. Die Regierung in Ankara kann den Entscheidungsprozess im Parlament über den Rechtsausschuss steuern, der den Fall zur Abstimmung in das Plenum einbringt - oder auch nicht. Fast 50 unvollstreckte Todesurteile haben sich in den vergangenen 15 Jahren im Rechtsausschuss angesammelt und sind damit faktisch ausgesetzt. Zwar gibt es weiterhin großen öffentlichen Druck für eine rasche Hinrichtung Öcalans, doch dürfte die Regierung den Rechtsausschussvorsitzenden auch diesmal nicht zur Eile anhalten - steht doch der EU-Gipfel bevor, von dem sich Ankara eine Anerkennung als Beitrittskandidat erhofft. Kommt der Fall Öcalan im türkischen Parlament aber irgendwann einmal zur Abstimmung, dann dürfte jederzeit eine Mehrheit für die Hinrichtung zustande kommen. Staatspräsident Süleyman Demirel (Bild) könnte dann zwar noch einmal seine Unterschrift verweigern, verhindern könnte er die Vollstreckung des Todesurteils aber nicht. Zweite Abstimmung könnte Wende bringen Mit einer zweiten Abstimmung könnte das Parlament seine Bedenken überstimmen. Nach der Veröffentlichung im Staatsanzeiger blieben dann nur noch Tag und Stunde der Hinrichtung festzulegen - nach dem türkischen Gesetz das Privileg von Generalstaatsanwalt Savas.
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