Die Presse, Wien 26.11.1999 Öcalan will Schierlingsbecher trinken Ankara hat das Todesurteil gegen den PKK-Chef Abdullah Öcalan bestätigt. Die EU warnt die Türkei vor einer Hinrichtung. ANKARA (ag.). "Ich werde mich wie Sokrates mit einer großen Reife dem Tod stellen." Unmittelbar nachdem am Donnerstag das Berufungsgericht in Ankara das Todesurteil gegen Abdullah Öcalan bestätigt hatte, verglich sich der Führer der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei mit dem griechischen Philosophen. Nun sind alle Rechtsmittel für den vor einem Jahr verhafteten PKK-Chef ausgeschöpft. Öcalan war im Juni wegen Hochverrats zum Tode verurteilt worden. Doch der Weg zum Galgen ist noch weit, jetzt sind zunächst die politischen Instanzen am Zug. Sowohl Präsident Süleyman Demirel als auch das Parlament in Ankara können die Entscheidung auf die lange Bank schieben. Premier Bülent Ecevit gilt überdies als Gegner der Todesstrafe, zumal eine Exekution des "Staatsfeindes Nummer eins" in Europa auf heftiges Mißfallen stoßen würde. In einer ersten Reaktion hat die EU denn auch eine deutliche Warnung an Ankara gerichtet. Ein Beitritt zur Europäischen Union sei nur bei einer Abschaffung der Todesstrafe möglich. Die EU hatte für das im Dezember stattfindende EU-Gipfeltreffen in Helsinki der Türkei den Status eines offiziellen Beitrittskandidaten in Aussicht gestellt. "Die EU erwartet, daß die Menschenrechtskonvention von der Türkei akzeptiert wird", erklärte ein Sprecher des für Erweiterungsfragen zuständigen Günter Verheugen. Inzwischen hat auch der Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg erneut eine Prüfung des Falls angekündigt. Das Berufungsgericht in Ankara hat in seiner Urteilsbegründung das Verfahren gegen den PKK-Chef als korrekt bezeichnet. Öcalan ist seit Februar auf der Gefängnisinsel Imrali in Haft, nachdem er von einer türkischen Sondereinheit aus der griechischen Botschaft in Nairobi entführt worden war. Öcalan war in den vergangenen Monaten sichtlich um einen moderaten Kurs bemüht. Wiederholt hat er eine politische Lösung des Kurdenproblems urgiert. Auch die PKK hat geschworen, ihren militärischen Kampf aufzugeben. Zuletzt war es jedoch wieder zu Gefechten mit der Armee gekommen.
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