Stuttgarter Zeitung, 29.11.1999 Die Quadratur des Kreises Tausend Panzer gegen das Leben Abdullah Öcalans plus Gewaltverzicht gegen die Kurden - das hat auf den ersten Blick etwas Bestechendes. Wirklich nur auf den ersten Blick? Ein Deal, der Wirtschaftsinteressen berücksichtigt und Menschenrechtsforderungen folgt, wäre für die rot-grüne Koalition fast so etwas wie die Quadratur des Kreises. Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein Koalitionspartner sitzen nämlich in einer Art Panzerfalle. Wenn die Türkei - und es sieht ganz danach aus - tausend Leopard-Panzer bestellt, wird Schröder diesen Wunsch schwerlich ablehnen können. Die Rüstungsindustrie wird ihn mit dem angeblich oder tatsächlich drohenden Verlust von Arbeitsplätzen unter Druck setzen, einem Argument, dem er sich kaum verweigern kann - auch wenn die Grünen und der linke SPD-Flügel mobil machen. Andererseits werden die Grünen einen solchen Konflikt nicht noch einmal aushalten. Die Lieferung der Leopard-Panzer würde wohl die Koalition sprengen. Deshalb ist die Suche nach einem Ausweg aus der Zwickmühle für Rot und Grün ein Gebot der Stunde. Zumal die Koalitionspartner sich darüber im Klaren sind, dass die Ablehnung des Leopard-Exports nicht das Ende der Debatte wäre: Der amerikanische Panzer, den die Türkei dann voraussichtlich statt des Leos kaufen würde, wird mit einem deutschen Motor und einer deutschen Kanone ausgerüstet. Wollen die Grünen dann den Tanz mit den USA wagen? Daran würden sie sich mit Sicherheit verheben. Deshalb bleibt nur die Suche nach einem Kompromiss, der den Bedenken der Linken und den Argumenten der Wirtschaft Rechnung trägt. Mehr Menschenrechte in der Türkei gegen tausend Leos - das wäre zumindest ein Ansatz. Von Karl-Ludwig Günsche
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