Stuttgarter Nachrichten, 29.11.1999 Versteckspiel nicht zum Spaß Familie lebt seit einem Jahr im Kirchenasyl in Furtwangen Unbemerkt von der Öffentlichkeit harrt seit einem Jahr im Schwarzwald eine Kurdenfamilie im ökumenischen Asyl aus. Unter dem Schutz dreier Religionsgemeinschaften sowie eines Ordens genießt die fünfköpfige Familie des Türken Ali Sakiz Kirchenasyl in Furtwangen. Der Kurde hätte nach Überzeugung seiner Helfer bei der Rückkehr wieder das zu erwarten, was er schon mal durchmachte: Repression, Folter, Flucht. Nach der Ablehnung als Asylbewerber war die Familie mit ihren drei Töchtern im Oktober 1998 ¸¸untergetaucht''. Jetzt lebt sie im Heim der Salesianerpatres. Finanziert wird dies vom ¸¸Kreis gegen Rassismus und Gewalt''. Dabei sind die Räumlichkeiten für eine ganze Familie wenig geeignet. Eine ebenfalls von der Abschiebung bedrohte iranische Familie lehnte das Asyl dort glatt ab, erzählt Lutz Bauer, evangelischer Pfarrer im nahen Gütenbach. Wieland Walter aus Kirchzarten, bis vor kurzem Furtwanger Hausarzt der kurdischen Familie, berichtet von der Flucht des Landwirts aus Ost-Anatolien vor zwölf Jahren: wie der Kurde nach der Rückkehr nach Istanbul gefasst und drei Monate lang malträtiert wurde und vor allem, wie er zwischen die Fronten von Staat und kurdischer Arbeiterpartei PKK geriet, weil er nach seinem Militärdienst Mitte der 80er Jahre mit keiner Seite paktieren wollte. Alle sechs Geschwister von Sakiz sind nach Europa geflüchtet, zwei erhielten Asyl in der Schweiz und in Deutschland. Nur die Mutter lebt im Heimatdorf. Der Vater wurde 1978 bei einem Massaker ermordet. Eine psychologische Studie des DRK kommt nun zur Erkenntnis, Alis Biografie weise ¸¸eine Kette von Bedrohung, Verfolgung und Folter auf. Erniedrigung und Demütigung haben bei dem Patienten zu einer tiefgehenden seelischen Verletzung geführt.'' Er klage über Albträume, habe Angstzustände und verhalte sich unruhig. Bauer weiß aber auch, dass es in Furtwangen nicht nur Befürworter dieses Aktes zivilen Ungehorsams gibt. Doch nur wenige anonyme Briefeschreiber hätten bislang mit Kirchenaustritt gedroht. lsw
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