Salzburger Nachrichten, 2.12.99 Der "letzte Versuch" für die geteilte Insel Zypern Indirekte Verhandlungen der Konfliktparteien in New York drohen zur "Geisel" des EU-Gipfels von Helsinki zu werden BIRGIT CERHA NIKOSIA (SN). Nach Monaten mühseligster Diplomatie reisten am Mittwoch Glafkos Clerides, (griechischer) Präsident Zyperns, und der Führer des international nicht anerkannten türkischen Teilstaates auf Zypern, Rauf Denktasch, nach New York, um der geteilten Mittelmeerinsel noch einmal eine Chance zu geben. Diplomatische Kreise in Nikosia hegen wenig Hoffnung. Denktasch spricht vom "letzten Versuch", der endgültig zeigen solle, ob die griechischen Zyprioten zu einer Lösung des Konflikts auf der Basis zweier gleichberechtigter Völker auf der Insel bereit seien. Sollte Clerides jetzt offiziell anerkennen, dass er nicht der Präsident der gesamten Insel sei und dass die türkischen Zyprioten ihre eigene Administration hätten, dann ließe sich eine Lösung eines der schwierigsten diplomatischen Konflikte unserer Zeit doch tatsächlich "in weniger als sechs Monaten" finden. Clerides bekundet zwar seine grundsätzliche Bereitschaft zum "Kompromiss", doch die Erfüllung dieser wichtigsten Forderung Denktaschs erscheint - auch aus innenpolitischen Gründen - vorerst undenkbar. Der Türkenführer weigert sich seit zwei Jahren, seitdem die Europäische Union mit dem griechischen Teil Aufnahmeverhandlungen begonnen hatte, mit Clerides auch nur zusammenzutreffen, sofern die Griechen der Insel nicht den eigenen, nur von der Türkei anerkannten Staat im nördlichen Inselteil akzeptieren. UNO-Generalsekretär Kofi Annan gelang es nun, die beiden Führer wenigstens zu indirekten Gesprächen nach New York zu bringen, bei denen es ausschließlich um den künftigen Status der Zypern-Türken geht. Man will wenigstens einmal eine gemeinsame Basis für grundsätzliche Verhandlungen finden. Denktasch lehnt es entschieden ab, auch im privaten Kreis mit Clerides in New York zusammenzutreffen. Kofi Annan oder dessen Repräsentant wird als Vermittler zwischen den beiden, in getrennten Räumen sitzenden Zyprioten fungieren. Die Gespräche sind für 10 bis 15 Tage anberaumt, sollten also über den EU-Gipfel von Helsinki (am 10. Dezember) hinausreichen. Dieser Gipfel liegt als schwerer Schatten über dem New Yorker Treffen. Kommentatoren und politische Kreise in Ankara weisen darauf hin, dass der Zeitpunkt des erneuten Rettungsversuches für das seit der türkischen Invasion 1974 geteilte Zypern äußerst ungünstig gewählt sei. Während man sich in Griechisch-Nikosia wie in Athen Zugeständnisse der Türken erhofft, will Ankara ebenso wie Türkisch-Nikosia alles vermeiden, was den Eindruck erwecken könnte, die Türkei wolle sich ihre Mitgliedschaft in der EU auf dem Rücken der türkischen Zyprioten erkaufen. Es bleibt Kofi Annan vorbehalten, in dieser Situation wenigstens einen totalen Abbruch auch der indirekten Kontakte zu verhindern. |