sz, 3.12.99 Gute Geschäfte mit dem Nato-Partner Alles für die Waffenbrüder am Bosporus Außer Leopard-2-Panzern bekommt die Türkei aus Deutschland auch Sturmgewehre und U-Boote Von Stephan Hack Als vor kurzem heftig über die Ausfuhr deutscher Leopard-2-Panzer in die Türkei gestritten wurde, verweigerte die Bundesregierung jede Auskunft über die Lizenzvergabe für Heckler & Koch-Gewehre an den Nato-Partner. Wie üblich verwies sie auf das Geschäftsgeheimnis. Dabei ist schon seit dem Sommer 1998 alles klar: Kurz vor dem Machtwechsel in Bonn genehmigte die Regierung Kohl den Nachbau des Schnellfeuergewehres HK33. Die Frankfurter Rundschau zitierte den Wirtschafts-Staatssekretär Siegmar Moosdorf (SPD) mit den Worten, es sei die Ausfuhr von "Ausrüstungen, Einzelteilen, Technologieunterlagen und Software zur Herstellung des automatischen Gewehrs HK 33" genehmigt worden. Bis zu 500 000 HK33 will die türkische Partnerfirma MKEK herstellen. Ankara hat auch die Lieferung fertiger Gewehre beantragt, die Entscheidung darüber steht noch aus. Mit der jüngsten Lizenzvergabe pflegen Heckler & Koch und die Bundesregierung eine lange Tradition. Bereits 1967 liefen die ersten Sturmgewehre vom Typ G3 bei MKEK vom Band. Nicht nur die türkische Armee war zufrieden mit dem deutschen Präzisionsgerät, die Lizenzgewehre waren weltweit ein Renner. Inzwischen ist das G3 wegen seines hohen Alters und des Kalibers 7,62 Millimeter unattraktiv geworden. 1995 schrieb die Türkei einen Großauftrag für ein Nachfolgemodell mit dem neuen NATO-Standardkaliber 5,56 Millimeter aus. Den Zuschlag erhielt Heckler & Koch nicht von ungefähr. Für die Türken waren vor allem ökonomische Zwänge ausschlaggebend. Otfried Nassauer vom regierungsunabhängigen Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit in Berlin: "Für MKEK ist es bequemer, seine Produktionslinien auf das HK33 umzustellen, denn dieses leitet sich vom G3 ab." Die Anschaffung anderer ausländischer Modelle hätte den Bau einer neuen Gewehrfabrik erfordert, was zu teuer gewesen wäre. Andererseits zeugt die Entscheidung der türkischen Regierung auch von Weitsicht. Da Heckler & Koch eine Tochter des Rüstungsriesen British Aerospace ist, besteht die Möglichkeit, in Großbritannien künftig Maschinen- und Ersatzteile einzukaufen. Seit Anfang der sechziger Jahre ist die Bundesrepublik innerhalb der NATO für die militärische Aufrüstung der verwundbaren Südostflanke zuständig. Seit dieser Zeit werden Schiffladungen voller Rüstungsgüter an den Bosporus transportiert. Die Aufbauhilfe umfasste von U-Booten über Panzer bis hin zur Schulung von Spezialeinheiten praktisch alles, was die türkischer Generäle begehrten. Die Ware ist dabei oft von minderwertiger Qualität. Der bekannteste Fall ist die Lieferung von NVA-Material durch die Bundeswehr kurz nach der Wende. Um eine teure Vernichtung zu vermeiden, fanden über 300 000 Kalaschnikows, mehrere Millionen Schuss Munition sowie 300 DDR-Schützenpanzer in der Türkei ihren Abnehmer. "Die Kalaschnikows hätten für eine ganze Armee gereicht", sagt Nassauer. Bisher hat die Bundesregierung dem Waffenbruder aus dem Zweiten Weltkrieg selten einen Wunsch verweigert. Eine Ausnahme bilden Granatwerfer, deren Versand der Bund letztes Jahr stornierte. An Rüstungsverträgen fehlt es dennoch nicht: 1998 unterzeichnete die Howaldtswerke Deutsche Werft (HDW) in Kiel einen Kooperationsvertrag mit der Türkei über den Bau von vier neuen U-Booten. Die Kohl-Regierung sagte für das Geschäft eine Hermes-Bürgschaft zu. Die Bremer Werft Abeking & Rasmussen wird die türkische Marine mit einem neuen Minensuchboot ausrüsten und Materialpakete für fünf weitere liefern. Außer dem umstrittenen Leopard-2-Projekt interessiert sich Ankara auch für den deutsch-französischen Kampfhubschrauber Tiger. Der Autor ist freier Journalist in Hamburg |