jw, 4.12.99 Sächsische Grüne fordern bei Panzerexport Ende der Regierungskoalition Keine Lust auf Nasenring Während sich gegenwärtig ein Gremium, an dem unter anderem die bündnisgrüne Politikerin Claudia Roth und Gernot Erler von der SPD teilnehmen, darum bemüht, neue Rüstungsexportrichtlinien zu Papier zu bringen und den Konflikt in der rot-grünen Koalition an diesem Punkt zu entschärfen, gärt es an der grünen Basis weiter. Für die grüne Parteispitze eine schwierige Situation: Sowohl beim Thema Atomausstieg als auch bei der Rüstungsexportpolitik erwarten viele an der Parteibasis endlich »grünes Profil«. Während augenblicklich beim Atomausstieg fast alle bündnisgrünen Landesverbände Sturm laufen gegen die Pläne der Parteispitze bzw. der Minister Fischer und Trittin, 30 + 3 Jahre zu akzeptieren, war die Empörung über drohende Panzerlieferungen an die Türkei merklich kleiner als noch vor wenigen Wochen. Solange die überarbeiteten Rüstungsexportrichtlinien nicht vorliegen - Ende des Jahres soll das passieren - solange also keine »neuen Kröten« geschluckt werden müssen, dürfte das sicher auch so bleiben. Allerdings hat dieser Tage der sächsische Kreisverband Aue/Schwarzenberg von Bündnis 90/Die Grünen einen für Zündstoff sorgenden Beschlußvorschlag für die Bundesdelegiertenkonferenz präsentiert. Danach muß die Koalition in Berlin beendet werden, so der Vorschlag aus Sachsen, wenn die SPD die Lieferung von Leopard-II-Panzern an die Türkei durchdrücken will und entsprechende Beschlüsse faßt. In der Begründung für diesen Vorschlag, der am Montag auf der Kreisversammlung in Schneeberg eine Mehrheit fand und zur Bundesdelegiertenkonferenz eingebracht werden soll, heißt es: »Bündnis 90/Die Grünen ist keine Dienstleistungsorganisation für skrupellose Waffenhändler! Ein Parteitagsbeschluß, der unmißverständlich und ohne Hintertürchen bei Leopard- 2-Lieferung die Koalition mit der SPD aufkündigt, ist ein deutliches Zeichen an die SPD, das die Parteibasis und die grünen Fraktionsmitglieder wieder an ihren Wählerauftrag erinnert!« Der sächsische Kreisverband weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß bei Rüstungsexportentscheidungen laut Koalitionsvertrag der »Menschenrechtsstatus möglicher Empfängerländer als zusätzliches Entscheidungskriterium« eingeführt worden ist. Leopard-2-Panzer seien aber nur dazu geeignet, der Türkei bei weiteren Menschenrechtsverletzungen gegen das kurdische Volk behilflich zu sein. Schließlich habe die türkische Armee in den letzten Jahren über 3 000 Dörfer zerstört und über drei Millionen Kurden vertrieben. Aktuell säßen über 8 000 politische Gefangene in türkischen Gefängnissen. Bei einer Lieferung von Kampfpanzern an die Türkei könne deshalb die Partei den Verbleib in der Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder »nicht länger mitverantworten«. Nochmals dürften sich Bündnis90/Die Grünen, so der sächsische Kreisverband, von Kanzler Schröder beim Panzergeschäft nicht am Nasenring vorführen lassen. Statt dessen komme bei einer solchen Rüstungsexport- Praxis nur ein Schritt in Frage: Die Aufkündigung der Koalition. Thomas Klein |