Berliner Zeitung, 7.12.1999 Kandidatur voller Risiken Lamers bleibt skeptisch Sigrid Averesch BERLIN, 6. Dezember. Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karl Lamers, zeigt sich besorgt über den Plan, der Türkei auf dem EU-Gipfel in Helsinki Ende dieser Woche den Status eines Beitrittskandidaten zu verleihen. "Das ist ein risikoreicher Weg, mit dem die Gefahr einer noch tieferen Entfremdung zwischen der Türkei und der EU verbunden ist", sagte Lamers der "Berliner Zeitung". Der Schritt wecke in der Türkei Hoffnungen, die nicht so schnell erfüllt werden könnten. Als Hindernisse für den Statuts eines Beitrittskandidaten nannte Lamers die mangelnde demokratische Verfasstheit und die Rolle der Militärs, die Behandlung des Kurdenproblems sowie die Verletzung der Menschenrechte. "Niemand außer der Türkei glaubt, dass das Kurdenproblem ein reines Terroristenproblem ist", sagte der Politiker. "Die EU kann nicht zulassen, dass ein Mitglied so mit einer Volksgruppe umgeht." Verhandlungen der EU mit der Türkei über diese Fragen bezeichnete Lamers als problematisch, da dabei die inneren Angelegenheiten eines Staates betroffen seien. "Diese Fragen hätten vor einer Entscheidung über den Beitrittskandidaten-Status geklärt werden müssen." Als weiteres Problem nannte Lamers den Zypernkonflikt. Der CDU-Außenpolitiker betonte, dass sich die Haltung der Union nicht in einer Ablehnung des islamischen Glaubens begründet. "Dann müssten wir auch gegen die Integration der in Deutschland lebenden Muslime sein. Das Gegenteil ist der Fall." Lamers zeigte sich vielmehr skeptisch bei der Beurteilung von innenpolitischen Reformen in der Türkei. Er verwies darauf, dass der Staat seit 36 Jahren, seit seiner EU-Assoziierung, eine Beitrittsperspektive besitze. Lamers sprach sich für eine Annäherung der Türkei an Europa aus und plädierte für ein institutionalisiertes Verhältnis zwischen EU und Türkei, das über eine Kooperation hinausgeht. So könne er sich vorstellen, dass die Türkei sich dem EU-Recht unterwerfe.
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