Leipziger Volkszeitung, 9.12.1999 Kurden-Prozess: Auftakt mit Hindernissen und vielen Pausen Antragsflut durch Pflichtverteidiger der mutmaßlichen Geiselnehmer - Staatsanwalt kam nicht zu Wort Außer Spesen nichts gewesen: Eigentlich sollte gestern am Landgericht gegen die mutmaßlichen Rädelsführer bei der Besetzung des griechischen Konsulats im Februar dieses Jahres erstmals verhandelt werden. Doch es kam nicht einmal zur Verlesung der Anklageschrift. Der Geiselnahme beschuldigt werden sechs Männer und eine Frau, überwiegend Kurden. 9 Uhr: Der Prozessbeginn verzögert sich: Es sind noch nicht alle 14 Pflichtverteidiger eingetroffen. 9.40 Uhr: Das Gericht gibt seine veränderte Besetzung bekannt. Hintergrund: Eine Schöffin musste wegen eines Unfalls ersetzt werden. Die Anwälte bekommen eine Pause, um die Unterlagen in der Geschäftsstelle einsehen zu können. Andere benötigen die Zeit, um sich mit ihren Mandanten zu besprechen. 11.15 Uhr: Der Vorsitzende Richter Jürgen Niemeyer informiert die Prozessbeteiligten, dass ein Amtsarzt eingeschaltet wurde: Der jüngste Angeklagte, Mustafa K., hat sich den Fuß verstaucht. Dennoch könne er auf dem Weg von der Zelle zum Verhandlungssaal Fußfesseln tragen, heißt es. 12.30 Uhr: Verständigungsprobleme: Rechtsanwalt Jürgen Kohlen benötigt für seinen Mandanten einen Übersetzer, der einen speziellen kurdischen Dialekt spricht. Ein Kurde aus dem Zuschauerkreis bedroht einen Dolmetscher mit dem Tode - der Mann wird verhaftet. 13.15 Uhr: Weitere Verzögerung - Anwalt Christian Avenarius fehlt. Er sitzt in seiner Kanzlei und schreibt an einem Antrag. 13.50 Uhr: Pause bis 14.45 Uhr verlängert: Avenarius ist mit seinem Antrag noch nicht fertig. 15 Uhr: Avenarius und weitere Verteidiger rügen die Gerichtsbesetzung: Ihrer Meinung nach sind die anwesenden Schöffen nicht die gesetzlich vorgeschriebenen. Anwältin Gesa Schulz erklärt den Vorsitzenden Richter sowie einen Beisitzer für befangen. Sie habe nur unvollständige Akten erhalten, begründet sie. Kollegin Caroline Kager drängt auf Ablehnung einesDolmetschers wegen Befangenheit. Er könne nach der Bedrohung nicht mehr unvoreingenommen übersetzen. 16.05 Uhr: Der Angeklagte Sabahattin B. braucht eine Kopfschmerztablette. 16.07 Uhr: Antrag der Verteidiger Avenarius und Schulz auf Aussetzung des Verfahrens. Hintergrund: unvollständige Akten. 16.27 Uhr: Staatsanwalt Rainer Baums verliest die Anklage, wird jedoch schon im ersten Satz unterbrochen. Wortgefecht mit einem Anwalt. Der Staatsanwalt lese so schnell, er wolle sicher etwas verbergen. 16.35 Uhr: Ende des ersten Prozesstages. Fortsetzung am Dienstag. Saskia Grätz
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