Frankfurter Rundschau, 9.12.1999 Leichter verlangt als getan Im Blickpunkt: Bleiberecht verpflichtet viele Flüchtlinge zu gehen Von Eckhard Stengel (Bremen) Eingeweihte wussten es von vorneherein - nun spüren es allmählich auch die Betroffenen: Die von der Innenministerkonferenz (IMK) beschlossene Bleiberechtsregelung für Flüchtlings-"Altfälle" nützt nur wenigen und ist deutlich strenger als ein ähnlicher Beschluss von 1996. Allerdings legt manches Bundesland die Neuregelung etwas liberaler aus als andere. Die Innenminister von Bund und Ländern hatten am 19. November vereinbart, dass abgelehnte Asylbewerberfamilien, die vor Mitte 1993 eingereist sind und "aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen Deutschland nicht verlassen haben", unter bestimmten Bedingungen hier bleiben können: Sie dürfen nicht vorsätzlich eine Straftat begangen haben, müssen "ausreichenden Wohnraum" nachweisen, und ihr Lebensunterhalt muss "durch legale Erwerbstätigkeit ohne zusätzliche Mittel der Sozialhilfe" gesichert sein. Das ist freilich leichter verlangt als getan. Für die "Altfälle" gilt zwar nicht das Arbeitsverbot für nach 1997 eingereiste Asylbewerber, dennoch haben sie kaum Erwerbschancen. Denn sie dürfen nur arbeiten, wenn kein Deutscher und kein dauerhaft hier lebender Ausländer bereit steht. Diese Überprüfung kostet Zeit ("bei uns im Moment sechs bis acht Wochen", heißt es etwa im Bremer Arbeitsamt). Wenn die Arbeitserlaubnis erteilt wird, gilt sie nur tage-, wochen- oder monatsweise und muss permanent verlängert werden - was wieder Wochen dauert. Als die Innenminister 1996 schon einmal eine Altfallregelung billigten, räumten sie wegen dieses Problems Übergangsfristen ein: Die Betroffenen mussten nicht sofort eine feste Stelle nachweisen. Es reichte, wenn sie eine ausreichend bezahlte Stelle in Aussicht hatten, also einen Arbeitgeber vorwiesen, der sie bei gesichertem Bleiberecht beschäftigen wollte. Drei Jahre später setzten sich nun die CDU/CSU-Innenminister mit einer härteren Linie durch: Bleiberecht bekommt grundsätzlich nur, wer bereits am Tag des IMK-Beschlusses eine auskömmliche Beschäftigung besaß. "Es sollen nicht alle möglichen Personen nachträglich die Voraussetzungen schaffen, die sie bisher nicht erfüllt haben", sagt ein Sprecher des CDU-geführten Bremer Innenressorts. Manche Länder sehen allerdings einen kleinen Interpretationsspielraum. Der zuständige Referatsleiter im ebenfalls christdemokratisch geführten Innenministerium Hessens hält es für "nicht ganz ausgeschlossen", die Altfallklausel auch für jene Asylbewerber gelten zu lassen, die immer mal wieder gejobbt haben und eine Zusage ihres letzten Arbeitgebers für eine künftige Vollzeitstelle vorlegen. Auch das SPD-geführte Innenministerium Niedersachsens neigt zu der Auslegung, dass es reicht, wenn jemand am Tag des IMK-Beschlusses eine Teilzeitstelle ausübte, die demnächst auf auskömmliche Vollzeit aufgestockt werden soll. Überall chancenlos bleiben Flüchtlinge, die wegen ihres unsicheren Status keinen Job fanden, sich aber in Erwartung einer liberaleren Altfallregelung Stellenzusagen für die Zukunft besorgt haben. Dass sie keine Bewährungschance erhalten, ist für den Bremer Asylrechtsanwalt Albert Timmer eine "Verhöhnung".
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