Die Presse (Wien), 10.12.1999 SPD will ein neues Programm Linke reüssiert im Panzerstreit Deutschlands Sozialdemokraten gehen gestärkt aus ihrem dreitägigen Parteitag. Von unserem Korrespondenten EWALD KÖNIG BERLIN. Die deutschen Sozialdemokraten wollen sich ein neues Grundsatzprogramm geben. Darüber soll parallel zur Regierungspraxis in den nächsten Jahren diskutiert werden. Mit gestärktem Selbstbewußtsein und einer ebenso gestärkten Parteispitze beendete die SPD am Donnerstag ihren Parteitag. In Berlin wurde der Einfluß der Parteilinken eher zurückgedrängt. Bei manchen ihrer Forderungen (Vermögensabgabe) erlitten sie eine klare Absage. Erfolg hatten sie jedoch, was Panzerlieferungen an die Türkei angeht: Ihr Antrag, die SPD solle keine deutschen Leopard-II-Kampfpanzer an die Türkei liefern, wurde mehrheitlich beschlossen. Allerdings dürfte dieser Beschluß, der am späteren Abend fiel und deshalb kaum noch beachtet wurde, wenig Konsequenzen für die rot-grüne Koalition haben. Er könnte nur prinzipiell bei der Abfassung neuer Richtlinien für Waffenexporte bedeutend werden. Der Anti-Panzer-Beschluß wird als das Ventil gesehen, das der linke Flügel gebraucht habe. Lange Programmdebatte In der Regierungsarbeit müßten die Beschlüsse eines Parteitags nicht augenblicklich umgesetzt, sondern im Interesse Deutschlands gehandelt werden, hieß es am Rande des Parteitags. Außerdem bestehe zwischen dem Beschluß und der Regierungspolitik kein großer Widerspruch. Denn sollte die Türkei nach dem bereits gelieferten Probe-Panzer 1000 Stück in Deutschland bestellen, werde Berlin ohnehin Bedingungen an Ankara stellen. Eine Kommission soll das neue Grundsatzprogramm der SPD erarbeiten. Das derzeitige stammt aus dem Jahr 1989 vor der Wendezeit und scheint überholt. Mit dem neuen Programm wollen die Sozialdemokraten den Wandel der Gesellschaft gestalten und ihm nicht hinterherhinken. Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit sollen entsprechend neu definiert werden. Vertreter des linken Parteiflügels fürchten, dem neuen Parteiprogramm könnte das Schröder-Blair-Papier als Grundlage dienen. Mit ihrer Kritik drangen sie aber kaum durch. Die Programmdebatte soll allerdings öffentlich und nicht nur von "spin doctors" geführt werden, forderte Vize-SPD-Chef Wolfgang Thierse. Der Kommission steht Parteichef Schröder vor, "geschäftsführend" geleitet wird sie aber von Vize-Parteichef Rudolf Scharping. Die Programmarbeit wird mehrere Jahre beanspruchen.
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