Frankfurter Rundschau, 10.12.1999 Özdemir beklagt Polizei-Übergriffe auf Ausländer zba BERLIN, 9. Dezember. Die Einstellung von mehr Polizisten nichtdeutscher Herkunft und mehr deutscher Polizisten mit interkultureller Kompetenz hat der innenpolitische Sprecher der Bündnisgrünen im Bundestag, Cem Özdemir, am Donnerstag in Berlin gefordert. Polizei und auch Bundesgrenzschutz müsse es gelingen, ihr Verhältnis zu den in Deutschland lebenden sieben Millionen Ausländern vertrauensvoller zu gestalten, begründete Özdemir seine Forderung. Özdemir stellte in Berlin die fünfte Dokumentation "Polizeiübergriffe gegen Ausländerinnen und Ausländer" des Vereins "Aktion Courage - SOS Rassismus" vor, die 71 Fälle enthält. Allein 43 haben sich danach in den vergangenen anderthalb Jahren ereignet. Die Tatvorwürfe reichen von Beleidigung über schwere Körperverletzung im Amt bis zur Verursachung des Todes. Auch wenn 43 Fälle seit dem vorausgegangenen Bericht auf den ersten Blick nicht viel erschienen, sei "doch jeder einzelne Fall ein Fall zuviel", sagte Özdemir. Von Vertretern des Rechtsstaats gedemütigt oder geschlagen zu werden, wiege doppelt schwer. Özdemir, Vorsitzender des Vereins, nannte die dokumentierten Fälle die "Spitze des Eisbergs", denn viele Opfer polizeilicher Übergriffe scheuten sich, mit ihrem Fall in die Öffentlichkeit zu treten. Sie wüßten oder hätten gehört, dass sie vor Gericht gegen die Aussagen von Polizisten wenig Chancen hätten. In vielen Bundesländern mangele es immer noch an Anlaufstellen für die Opfer solcher Übergriffe, beklagte der Grünen-Politiker. Nötig sei auch eine Instanz, die solche Übergriffe registriere. Zu überprüfen seien auch "verdachtsunabhängige" Kontrollen der Polizei und anderer Sicherheitsdienste, die sich doch oft gegen Ausländer richteten. Er wisse sehr wohl, dass die Polizisten gerade dabei eine schwierige Arbeit leisteten; doch Kontrollen allein nach Äußerlichkeiten dürfe es nicht geben, sagte Özdemir. Das Verhalten der Polizei gegenüber Ausländern sei die Visitenkarte für das Deutschlandbild im Ausland. Es gehe nicht darum, die Polizei zu stigmatisieren sondern sie zu sensibilisieren, fügte der Bundestagsabgeordente hinzu. Er hoffe, dass die Dokumentation die Polizeiführung zum Nachdenken bringe. Es komme darauf an, schon in der Ausbildung der künftigen Beamten auf interkulturelle Kompetenz hinzuarbeiten, sagte Özdemir. Vielleicht sollten junge Polizisten eine Woche in einer türkischen Familie leben und so die andere Kultur kennenlernen, schlug er vor.
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