Hamburger Abendblatt, 13.12.1999 Zusage an Türkei stößt auf Widerstand Berlin - Über den EU-Kandidatenstatus der Türkei ist es in Deutschland zu einer scharfen politischen Auseinandersetzung gekommen. Während Bundeskanzler Gerhard Schröder von einem "wirklich historischen Beschluss" sprach, nannte CSU-Landesgruppenchef Michael Glos ihn eine "krasse Fehlentscheidung". FDP-Politiker warfen den EU-Staats- und Regierungschefs, die am Sonnabend ihren Gipfel in Helsinki beendeten, eine "verlogene Außenpolitik" vor. EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD) versprach, dass es keine weiteren Zusagen an Ankara geben werde. Dort gab man sich selbstbewusst und feierte die Aufnahme in den Kandidaten-Kreis als Sieg. "Die Entscheidung der EU ist nicht nur ein Meilenstein für Europa, sondern für die gesamte Welt", sagte der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit. Die Türkei leiste in der NATO schon seit Jahren einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit in Europa. Ecevit will mit einer baldigen Abschaffung der Todesstrafe ein Hindernis auf dem Weg in die EU beiseite räumen. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Türkei das Ziel einer Vollmitgliedschaft in der EU früher als erwartet erreichen werde. Einige Verbesserungen in Menschenrechtsfragen seien noch notwendig. Schröder war wie Frankreichs Präsident Jacques Chirac und Großbritanniens Premierminister Tonny Blair überzeugt, dass der Beitrittsstatus die Reformen in dem moslemischen Land voran bringen werde. Eine konkrete Antwort auf die Frage nach dem Schicksal des zum Tode verurteilten PKK-Chefs Abdullah Öcalan vermied Ecevit aber. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Gerd Poppe (Grüne) betonte, Beitrittsverhandlungen würden auf lange Zeit "unmöglich", wenn Ankara das Todesurteil gegen Öcalan vollstrecke. Auch der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE), Willy Görlach, hält einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union innerhalb der nächsten zehn Jahre für unrealistisch. Eine Form der dauerhaften Kooperation mit der EU unterhalb der klaren Beitrittsperspektive wäre ein besserer Weg gewesen, meinte der Vorsitzende des CDU-Fachausschusses Außen- und Sicherheitspolitik, Friedbert Pflüger. Der Kandidatenstatus der Türkei sei "risikoreich". Sehr positiv reagierte dagegen die amerikanische Regierung. Präsident Bill Clinton sagte, eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU hätte auch für die Mitgliedstaaten sowie die USA Vorteile. Unter Ecevit habe die Türkei in "beeindruckendem Umfang Reformen im Bereich von Politik, Wirtschaft, Menschenrechten und anderen Bereichen" eingeleitet. Dadurch sei die Bereitschaft des Landes deutlich geworden, einen "angemessenen Platz innerhalb Europas einzunehmen". (HA)
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