junge Welt, 14.12.1999 Rückzug auf ein unsicheres Terrain Irakische Kurden-Parteien schließen sich offenbar gegen die PKK zusammen Osman Öcalan, der Bruder des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan, hat jetzt in einem Interview mit dem kurdischen Satelliten-Fernsehsender Medya-TV nicht die Türkei, sondern die vom Barzani-Clan geführte Demokratische Partei Kurdistans-Irak (KDP) als Hauptfeind der PKK bezeichnet. Sie sei es, die - von der Türkei unterstützt - im wesentlichen den Angriff gegen die PKK führe. Sie habe überdies die konkurrierende Patriotische Union Kurdistans (PUK) mit über 80 Millionen US-Dollar bestochen, damit diese sich am Kampf gegen die PKK beteilige. Die PKK-nahe kurdische Zeitung Özgür Politika hatte Ende November außerdem berichtet, daß die PUK in Sulaymaniyah die Zeitung Welat, ein Kulturzentrum und ein Krankenhaus geschlossen habe, die alle drei als PKK-nah galten. Die PKK hat, seit sie den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat offiziell für beendet erklärt hat, versucht, ihre Kämpfer aus Türkisch-Kurdistan auf irakisches Territorium zurückzuziehen, wo sie abwarten sollen, wie die Türkei auf die Avancen der PKK antwortet. Das von Osman Öcalan angesprochene Vorgehen würde einen bedeutenden Schritt zur Annäherung zwischen der KDP und der PUK, die ihrerseits mehrfach in bewaffnete Konflikte miteinander verwickelt waren, bedeuten. In der Vergangenheit hatte die KDP der PUK vorgeworfen, den PKK-Guerilleros Unterschlupf zu gewähren. Hintergrund dieser Annäherung scheint zum einen der abermalige Vorstoß türkischer Truppen auf irakisches Territorium zu sein. Wie die Istanbuler Zeitung Cumhuriyet am 27. November berichtete, verhindere eine Operation von 20 000 türkischen Soldaten, die von 2 000 KDP-Peshmerga unterstützt würden, daß die PKK sich dort auf den Winter einrichten könne. Zum anderen hat der PUK-Vorsitzende, Jellal Talabani, betont, daß man im Sinne des Washingtoner Abkommens von 1998 über die Lösung der Krise zwischen seiner Partei und der KDP sich nun darüber verständigt habe, einen »Übergangsrat« zu gründen und dabei sei, einen »Hohen Rat für die Verhandlungen« zu schaffen. Kurz zuvor hatte »Kurdistan Newsline« bereits angekündigt, daß im kommenden Februar im gesamten kurdischen Gebiet Lokalwahlen stattfinden würden. Das war das Ergebnis eines Treffens zwischen dem Ministerpräsidenten der KDP-dominierten »Kurdischen Regionalregierung« (KRG), Kosart Rasul Ali, mit Gouverneuren und Vertretern von Lokalverwaltungen. PUK-Führer Nawshirwan Mustafa bezeichnete diese Munizipalwahlen als »natürliche Vorläufer« für nationale Wahlen. Um diese Wahlen vorzubereiten, wurde Ende November Nawshirwan Barzani zum neuen Ministerpräsidenten der KRG ernannt. Die Voraussetzung für die Wahlen ist allerdings eine - zumindest vorläufige - Aussöhnung zwischen der KDP und der PUK, die sich noch vor nicht langer Zeit um Macht und Pfründe blutige Kämpfe geliefert haben. Die Probleme sind, darauf wies auch Talabani in dem erwähnten Interview hin, jedoch keineswegs ausgeräumt. Allerdings scheint es zur Zeit eine Tendenz in diese Richtung zu geben, eine Tendenz, die der PKK-Guerilla ihr Überleben in den harten Wintermonaten überaus schwer machen dürfte. Diese Tendenz wird auch durch eine wachsende Annäherung der PUK an den Iran bestätigt. Dieser wiederum scheint sich bei aller fortbestehender Konkurrenz mit der Türkei zur Zeit eher dieser zuzuneigen als dem Irak. Einer der Faktoren dafür dürfte die Tatsache sein, daß es dem Iran gelungen ist, seine Beziehungen zu den arabischen Golfmonarchien zu verbessern. Anton Holberg
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