Frankfurter Rundschau, 18.12.1999 Mehr Ausländer zogen aus Deutschland weg als zu Beck legt ersten Migrationsbericht vor / Gegen "Seemanns"-Metaphorik vom "vollen Boot" Vgo BERLIN, 17. Dezember. In den vergangenen zwei Jahren sind erstmals weniger Ausländer nach Deutschland zugezogen als ausgewandert. Über die gesamten neunziger Jahre betrachtet hat die Bundesrepublik jedoch, trotz sinkender Tendenz, nach Luxemburg und der Schweiz die dritthöchste Zuwanderungs-Quote in Europa. Das geht aus einem "Migrationsbericht 99" hervor, der im Auftrag der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung erstellt wurde. Das Faktenmaterial, so die Ausländerbeauftragte Marieluise Beck am Freitag bei der Vorstellung des Berichts, soll vor allem mit zwei Mythen aufräumen: mit der "Seemanns-Metaphorik", die das "Boot" Deutschland für voll erklärt, und mit der Vorstellung, Zuwanderer aus aller Welt strömten nach Deutschland. Die Zahlen signalisieren tatsächlich das, was der Migrationsbericht "eine Beruhigung des Migrationsgeschehens" nennt: So sind 1998 genau 605 500 Ausländer nach Deutschland zugezogen, aber im selben Zeitraum haben 638 955 das Land verlassen. Dieser Negativsaldo ist vor allem auf die anhaltende Rückkehrbereitschaft der Kriegsflüchtlinge aus Bosnien sowie auf die sinkende Zahl von Aussiedlern, Asylbewerbern und ausländischen Werkvertragsarbeitern zurückzuführen. Nur ein Fünftel aller Zu- und Fortwanderer kommt aus Staaten der EU. Dennoch stammt die große Mehrheit der Zuzügler nicht aus fernen Dritte-Welt-Ländern. Gut zwei Drittel zogen aus Nicht-EU-Ländern Europas nach Deutschland. Nach wie vor "verjüngen" die Zuwanderer die deutsche Gesellschaft. Der Altersdurchschnitt der ausländischen Zuwanderer, aber auch der Fortzügler, liegt deutlich unter dem der Gesamtbevölkerung. Verändert hat sich hingegen die Palette der Nationalitäten. Kam früher das Gros der Migranten aus wenigen Anwerberstaaten, so stammen heute nur noch etwas mehr als 50 Prozent aus den fünf größten Herkunftsstaaten, die übrigen kommen aus einer Vielzahl von Staaten. Diese Vielfalt macht eine Integrationspolitik nicht undedingt leichter. Die Politik, so Ausländerbeauftragte Beck, "steht vor einer Herausforderung".
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