Frankfurter Rundschau, 20.12.1999 Das große Schweigen US-Medien berichten kaum noch über die Bomben auf Irak Von Gerti Schön Das amerikanische TV-Network ABC brachte kürzlich einen ungewöhnlichen Bericht in der Hauptnachrichtensendung am Abend: Die US-Streitkräfte setzten nun gemeinsam mit den Briten mit Beton gefüllte Bomben bei ihrem Feldzug gegen Irak ein. Der Bericht löste bei manchem Amerikaner Überraschung aus: Viele wissen überhaupt nicht, dass in Irak weiter Bomben fallen. Grund: Seit den letzten nachrichtenträchtigen Vergeltungsschlägen gegen Saddam Hussein im Dezember 1998 berichten die verschiedenen US-Medien nur noch äußerst sparsam über die Bombardements. Seit Januar hat es zum Beispiel im TV-Network CBS, wo von allen Sendern die meisten Irak-Berichte gezählt wurden, ganze 31 Meldungen über Irak gegeben. Über den Kosovo-Krieg liefen auf dem gleichen Kanal zwischen dem Beginn der Bombardements am 24. März und Anfang Juni 353 Berichte. "Ich glaube wirklich nicht, dass genug über die Bombardements geschrieben wird", sagt auch Steven Lee Myers, Washington-Korrespondent der New York Times, die als eine der wenigen Ausnahmen zumindest sporadisch über die Aktionen der USA in Irak berichtet. "Der Krieg ist Routine geworden. Es sind keine Amerikaner gestorben, keine US-Flugzeuge abgestürzt". Selbst in seiner eigenen Redaktion, so sagt er, sei eine gewisse Müdigkeit zu spüren, darüber zu berichten. Die amerikanische Regierung, so sagt Myers, sei nicht gerade brennend daran interessiert, dass über diesen Krieg öffentlich dikutiert wird. In der Bevölkerung ist er alles andere als populär. Dort fragt man sich, warum "unsere Jungs" wieder einmal ihre Köpfe hin halten sollen. Der US-Kongress droht, die Gelder einzufrieren und auch aus diplomatischen Gründen habe die USA kein Interesse daran, dass ihr Vorgehen öffentlich diskutiert werde, meint Myers. Man wolle "die diplomatischen Sensibilitäten in der Region nicht verletzen, vor allem da, wo es amerikanische Militärstationen gibt wie in Saudi Arabien, Kuweit und Türkei." Das Monatsmagazin The New Republic stimmt zu: Die Aktion in Irak werde in der Öffentlichkeit als Projekt "Desert Yawn" ("Wüstengähnen") abgetan. Der New Yorker Medienkritiker Seth Ackerman von der Non-Profit-Organisation Fair ("Fairness and Accuracy in Reporting") glaubt, dass die meisten amerikanischen Medienvertreter nur über das schreiben, was ihnen die Regierung enthüllen will: Gebe das Außenministerium eine Pressekonferenz, dann rede der Sprecher eben darüber, worüber er reden dürfe - und die meisten Korrespondenten "schluckten" die Themen: "Ich glaube, dass die meisten Reporter ihre Stories danach richten, was die Regierung ihnen vorgibt. Natürlich gibt es da Ausnahmen, aber viel zu selten", kritisiert Ackerman. Nicht einmal CNN bricht aus dem großen Schweigen aus. Stundenlang geht es auf dem weltweiten Nachrichtenkanal um tropische Stürme und Schießereien in den USA, bei denen es Tote gegeben hat - oder auch nicht. Aber Kriegsmeldungen aus Irak werden, wenn überhaupt, in ein paar Sekunden abgehandelt. CNN hat, anders als der Großteil der übrigen amerikanischen Medien, zumindest ein Team von Journalisten vor Ort hat. CNN-Sprecherin Megan Mahoney streitet deshalb ab, dass das Thema vernachlässigt werde. Nach Ansicht von Seth Ackerman liegt die Sache so: Es sei ein Element des CNN-Programms, dass der Sender nicht nur Kamaras vor Ort habe, sondern immer auch wichtige Politiker als Gesprächspartner. "Diese Offiziellen sind zur Zeit aber nicht daran interessiert, ihre Gesichter im Fernsehen zu zeigen", moniert er. Deshalb bleibe nichts übrig, als mit weniger wichtigen Leuten zu reden, "und das ist eben nicht CNN. Das begrenzt die Möglichkeiten des Senders auf das, was die Regierung diskutiert haben möchte", schließt Ackerman. "Auf diese Weise wird das Programm zu kaum mehr als einem Propaganda-Instrument".
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