HANDELSBLATT, 21.12.99

Verteidigungsminister in Ankara - Neue Regeln für Rüstungsexporte

Scharping: Keine Zusage für Lieferung von Panzern an die Türkei

Nach Ansicht von Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping erfüllt die Türkei noch nicht die rechtsstaatlichen Bedingungen für einen EU-Beitritt. Bei seinem Besuch in Ankara wies er darauf hin, dass eine Lieferung von Kampfpanzern an die Türkei von der dortigen Menschenrechtspolitik abhängig gemacht werde.

ran ANKARA. Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping hat die Hoffnungen der Türkei auf einen raschen Beitritt zur Europäischen Union gedämpft. Scharping hatte am Montag zum Auftakt eines zweitägigen Besuchs in Ankara gesagt, zwar gebe es gewisse Fortschritte bei der Wahrung der Menschenrechte, die Türkei sei von den europäischen Standards aber noch deutlich entfernt. Es könne keine Rede davon sein, dass es die notwendigen Kriterien für einen Beitritt erfülle.

Der Minister äußerte sich vorsichtig optimistisch, dass es unter der Regierung von Ministerpräsident Bülent Ecevit zu Fortschritten bei der Demokratisierung des Landes kommen werde. Zum einen gebe es eine stabile Mehrheit für die Regierungskoalition im Parlament, zum anderen stünden führende Politiker für einen Wandel. Die Verabschiedung des Amnestiegesetzes für so genannte Meinungsdelikte sei ein wichtiger Schritt. Ermutigend sei auch, dass die Militärrichter am Staatsgerichtshof durch zivile Richter ersetzt worden seien. Jetzt müsse abgewartet werden, wie sich diese Maßnahmen auswirken würden.

Scharping würde es begrüßen, wenn das Bundeskabinett am morgigen Mittwoch über veränderte Rüstungsexportrichtlinien entscheiden könne. Damit werde man dem selbst gesteckten Ziel, eine Novelle vor Weihnachten zu erarbeiten, gerecht. Inhaltlich wollte er sich nicht zu den jetzt bekannt gewordenen Vorschlägen äußern. Er sei aber immer für eine restriktive Rüstungsexportpolitik gewesen. "Daher habe ich keine Probleme mit klaren Regelungen", so der Minister.

Zu Meldungen, wonach das Bundesausfuhramt den Export von Tiger-Kampfhubschraubern in die Türkei genehmigt habe, sagte Scharping, dies halte er für unwahrscheinlich, da die Behörde nur auf Antrag tätig werde. Ein solcher liege aber seines Wissens nicht vor. Die Türkei habe derzeit einen Tiger- Hubschrauber zu Testzwecken. Bei einem möglichen Export des deutsch-französischen Gemeinschaftsprodukts müsse Paris die Bundesregierung ohnehin lediglich konsultieren, da der Tiger-Produzent Eurocopter zu 70 % in französischer Hand sei.

Scharping traf in Ankara zunächst zu einer kurzen Unterredung mit Ecevit zusammen. Danach folgte ein Treffen mit Verteidigungsminister Sebahattin Cakmakoglu. Dabei kam auch das Thema zur Sprache, das in der innenpolitischen Diskussion in Deutschland das größte Interesse findet: der mögliche Export von 1 000 Panzern des Typs Leopard 2 in die Türkei. Scharping sagte, er habe seinem Amtskollegen die Entscheidung der Koalition, einen Testpanzer zu senden, aber ein Votum für eine endgültige Lieferung von der Entwicklung der Menschenrechtssituation abhängig zu machen, erläutert.

Cakmakoglu sagte, in der Türkei werde die Diskussion in Deutschland aufmerksam verfolgt. Er verstehe nicht, warum die Panzerlieferung in Zusammenhang mit der Menschenrechtsfrage erörtert werde. So gebe es in den türkischen Streitkräften bereits 400 Leopard- Panzer älterer Bauart. Es handele sich also lediglich um eine Modernisierung.

Ein weiteres Thema der Reise wird die Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in der EU sein. Scharping betonte, die Türkei müsse stärker in die geplante EU-Eingreiftruppe mit einbezogen werden