Süddeutsche Zeitung, 21.12.99 Meinungsseite Die beschauliche Zeit des Ramadan hat sich Verteidigungsminister Rudolf Scharping für seinen Türkei-Besuch ausgesucht, und vielleicht liegt es daran, dass er gar so salbungsvoll über den Zweck der Reise spricht: Menschenrechte, Europa, die großen Linien eben. Doch das ist nicht mehr als Wortgetöse aus der Propagandakanone. De facto geht es um Panzer, Hubschrauber und Exportvorschriften. Nebenbei schafft es Scharping noch, zur falschen Zeit falsche Signale zu setzen und sich und der Bundesregierung Peinlichkeiten zu bereiten. Zunächst die falschen Signale. Jahrelang war es Politik der Bundesrepublik (und anderer Staaten), dass kein Verteidigungsminister Ankara besuchte. Der Grund war einleuchtend: In der Türkei untersteht der Verteidigungsminister dem Generalstabschef. Der Zivilist hat letztlich nichts zu sagen und kommt daher als Gesprächspartner nicht in Frage. Warum Scharping mit dieser Politik bricht, ist sein Geheimnis. Warum er es nach dem EU-Gipfel tut, ist noch mysteriöser. In Helsinki hatte Europa die Türkei an die Kopenhagen-Kriterien erinnert, und die sehen zivile Kontrolle des Militärs vor. Und die Peinlichkeiten? Die türkischen Generäle wollen von Scharping wissen, ob sie nach Ablauf eines Jahres mit der Lieferung von 1000 Leopard-Panzern rechnen können. Sie werden außerdem erfahren wollen, was der Beschlussdes SPD-Parteitags bedeutet, der Waffenlieferungen an den Nato-Partner und EU-Kandidaten Türkei verbietet. Und es wird sie interessieren, wie sich die neuen Waffenexportvorschriften auf die Zusammenarbeit auswirken werden. Peinlich daran ist, dass Scharping auf keine der drei Fragen eine Antwort weiß.
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