Neue Zürcher Zeitung, 21.12.99 Bagdad gegen eine neue Rüstungskontrolle «Kein Nutzen aus der Uno-Resolution» Bagdad hat die überarbeitete Form der Uno-Rüstungskontrolle und der Importerleichterungen aus humanitären Gründen, wie sie die letzte Woche verabschiedete Resolution 1284 vorsieht, zurückgewiesen. Der Irak beharrt auf dem Standpunkt, die Abrüstung seiner Massenvernichtungswaffen sei vor Jahren durch die Unscom vollendet worden. Deshalb sei das Embargo aufzuheben. Die neuen Bedingungen der Uno dienten bloss dessen Verlängerung. vk. Limassol, 20. Dezember Die Sprachrohre der irakischen Regierung haben die revidierten Auflagen des Uno-Sicherheitsrats in der Resolution 1284 vom Freitag zurückgewiesen und eine Einreise von Abrüstungsinspektoren ausgeschlossen. Das Parlament verabschiedete am Montag eine Erklärung in scharfem Ton, laut der Amerika und Grossbritannien mit Hilfe des Sicherheitsrats ihre regionalen Hegemonieansprüche durchsetzen wollen; die unklaren und vagen Bedingungen für eine Suspendierung der Sanktionen zielten im Grunde auf ihre unbefristete Verlängerung ab. Gemäss der Resolution soll eine neue Rüstungskontrollmission mit dem Namen Unmovic in den Irak entsandt werden. Wenn diese nach einer Probezeit von 120 Tagen den Irakern Kooperation und Fortschritte in der Abrüstung attestiert, kann der Sicherheitsrat das Embargo für drei Monate in erneuerbarer Form suspendieren. Seit Freitag protestieren in mehreren irakischen Städten organisierte Volksmassen gegen die «ungerechte Resolution». Die irakische Absage kam allerdings nicht mit letzter Förmlichkeit, um die Tür für Verhandlungen doch einen Spalt offenzulassen. So verhöhnte Präsident Saddam Hussein am Sonntag die «Dummheit» der Amerikaner und frohlockte über die Spaltung im Sicherheitsrat, die sich in der Stimmenthaltung Frankreichs, Russlands, Chinas und Malaysias äusserte. Die diplomatischen Vertreter dieser Staaten in Bagdad erfuhren bei einem Empfang am Samstag eine Sonderbehandlung. Vizeministerpräsident Tarek Aziz, der Verwalter der Uno-Beziehungen, unterzog die neuste Entwicklung einer eher sachlichen Prüfung: «Die Resolution erfüllt die Bedürfnisse des Iraks nicht. Und sie bringt uns auch keinen neuen Nutzen. Zudem enthält sie eine vollkommen arbiträre Beschränkung der souveränen irakischen Verfügungsgewalt über die eigene Wirtschaft und die Ressourcen des Landes.» Plafond für Erdölausfuhren aufgehoben Die politischen Richtlinien Saddams zur Erhaltung des noch verbliebenen Rests an nationaler Würde hinderten die irakischen Beamten, die praktischen Vorteile der neuen Resolution anzuerkennen. Immerhin ist nun ohne Umschweife jeglicher Plafond für irakische Erdölausfuhren aufgehoben, auch wenn die Uno durch ihre Aufsicht über die Wiederherstellung der Förderanlagen und Raffinerien eine indirekte Kontrolle über die Produktionskapazität behält. Die Einfuhr von Ersatzteilen und Technologie wird nun durch eine im voraus festgeschriebene Liste der Uno geregelt, was die zeitlichen Verzögerungen abschafft. Auch die Einfuhr von Nahrungsmitteln, Medikamenten, Medizinalartikeln, landwirtschaftlichem Gerät und Lehrmitteln für die Schulen wird nun nicht mehr jedesmal neu genehmigt, sondern durch einen festen Katalog bestimmt. Doch behält die Uno die Kontrolle über die irakischen Einfuhrkontrakte, weil das Sperrkonto für den Erdölerlös, die einzige Finanzquelle, in ihrem Griff bleibt. Damit soll Rüstungseinfuhren vorgebeugt werden. Auf diese Bevormundung zielt die Kritik von Aziz über eingeschränkte Souveränität. Hoffen Saddams auf eine bessere Lösung Nicht nur den Irakern, sondern auch den Amerikanern ist bewusst, dass der zentrale Aspekt der strategischen Zügelung Bagdads, die aktive Rüstungskontrolle, angesichts der irakischen Verweigerung auch mit der neuen Resolution nicht gewährleistet ist. Deshalb hat sich Saddam durch die Straffung der militärischen Führungsstrukturen gegen allfällige neue Strafoperationen der Amerikaner vorbereitet. Gleichzeitig hofft er weiterhin, eine Einigung zu besseren Bedingungen mit Washington erzwingen zu können. Auch eine rasche Abhilfe für die humanitäre Katastrophe des irakischen Volks ist nicht garantiert; der Staatsapparat, das allgegenwärtige Werkzeug für jeden Wiederaufbau der Dienstleistungen, bleibt weiterhin in Saddams Hand.
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