jw, 21.12.99 Scharping auf Abwegen Wehrminister gibt in der Türkei den Außenamtsvorsteher Schon Volker Rühe hatte sich dereinst als heimlicher Außenminister profiliert. Ein solcher Hang ist nun auch beim amtierenden Verteidigungsminister zu beobachten. Schließlich geht es beim zweitägigen Besuch Rudolf Scharpings in der Türkei längst nicht nur um militärische Probleme zweier NATO-Staaten. Nach monatelangem Gezerre um die Lieferung von Leopard-Panzern und Tiger-Hubschraubern soll wieder etwas für die gute Stimmung beim neuen EU-Beitrittskandidaten getan werden. Da ist Scharping als Fachmann fürs Militärische der richtige, schließlich haben in Ankara die Militärs das Sagen. Wochen zuvor hatte US-Präsident William Clinton betont, wie sehr er auf eine militärisch starke Türkei baut. Das wurde angesichts massiver Kritik in Menschenrechtsfragen gern gehört. Von Scharping wird nun gleiches erwartet. Empfangen wurde er am Flughafen unerwartet hochrangig von seinem Amtskollegen Cakmakoglu. Das schmeichelt. Und so betonte auch Scharping die »besondere Rolle« der Türkei für Europa. Außen- und sicherheitspolitisch sei das Land nicht nur die »Südflanke« der NATO und das Tor zur arabischen Welt. Auch die Rolle der Türkei bei der »Eindämmung des irakischen Bedrohungspotentials« dürfe nicht unterschätzt werden. Nachdem das über die Lippen war, fiel Scharping die Verteidigung der umstrittenen Lieferung des deutschen Testpanzers um einiges leichter. Auch der deutsche Verteidigungsminister braucht das türkische Militär, um die Festung Europa in Krisenfällen halten zu können. Diese Botschaft wird vor Ort mit Händedruck abgegeben. (bv)
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