Leipziger Volkszeitung, 22.12.99 Kurden-Prozess: 14-jährige Geisel erkannte nur Frau wieder Steuerberater nahm Aktion gelassen hin - seine MDR-Interviews will Staatsanwalt nun im Gericht sehen Eine der drei Geiseln, die sich in der Gewalt der Besetzer des griechischen Konsulates am 16. Februar dieses Jahres in Leipzig befanden, war erst 14 Jahre alt. Mittlerweile habe sie diesen Tag "gut verkraftet", sagte die Schülerin gestern am dritten Tag des Prozesses gegen die mutmaßlichen Rädelsführer der Besetzung. Wie berichtet, haben sich die sieben Angeklagten kurdischer Volkszugehörigkeit, darunter eine Frau, im Verfahren vor dem Landgericht Leipzig bislang nicht geäußert. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Kurden aus Protest gegen die Ergreifung von PKK-Führer Öcalan das Konsulat besetzten und die drei Leute einer sich im Haus befindlichen Steuerberaterkanzlei als Geiseln nahmen, um ein Druckmittel gegen die Polizei zu haben. "Ich sollte der Polizei sagen, dass man uns etwas antun werde, wenn das Gebäude gestürmt wird", bestätigte die mittlerweile 15-Jährige gestern vor Gericht. Sie hatte während der Schulferien im Februar nur eine Art Praktikum bei dem Steuerberater gemacht. An dem Tag, an dem sie nach etwa zehn Stunden gemeinsam mit den beiden anderen unverletzt befreit wurde, habe sie zunächst "keine richtige Angst" verspürt. Erst in der letzten halben Stunde sei es ihr anders geworden, da habe sie ein Messer gesehen und sei zudem mit ihrer 21-jährigen "Kollegin" - die wurde gestern noch nicht als Zeugin gehört - in einem Raum eingesperrt worden. Die Kollegin habe "große Angst" gehabt und geweint. "Sie klammerte sich an meinen Arm", so die Schülerin. Sie erkannte unter den sieben Angeklagten nur die Frau als Besetzerin wieder. Auch der 40-jährige Steuerberater identifizierte die Kurdin im Gerichtssaal; des Weiteren noch einen Angeklagten, der damals quasi als Dolmetscher fungiert habe. Der Steuerberater nahm die Besetzung seinen Worten zufolge gelassen hin. Von den Kurden in seiner unmittelbaren Nähe habe er sich "zu zwei Dritteln beschützt und zu einem Drittel bewacht" gefühlt, sagte der Mann zum Erstaunen von Prozessbeteiligten. Staatsanwalt Rainer Baums kündigte daraufhin an, Videos mit den Interviews, die der Steuerberater damals dem MDR gab, als Beweismittel im Prozess sehen zu wollen, der bis 26. Januar 2000 stattfindet. S. Kreuz
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