Berliner Morgenpost, 22.12.99 Entscheidung zu Rüstungsexporten verschoben Panzerlieferungen weiter umstritten - Türken rügen bei Scharping-Besuch Verknüpfung mit Menschenrechtsfragen Von Frank E. Lippold Berlin/Ankara - Der angekündigte Regierungsbeschluss lässt auf sich warten. Das Bundeskabinett wird auf seiner heutigen Sitzung in Berlin doch keine verschärften Richtlinien für den Rüstungsexport verabschieden. Ein Grund für die Verschiebung wurde nicht genannt. Indessen wächst die Kritik am Vorgehen der Bundesregierung: Amnesty International forderte, Waffenausfuhren stärker an die Einhaltung der Menschenrechte zu binden. «Wir brauchen nicht nur schöne Worte, sondern harte Bedingungen», betonte Rüstungsexperte Mathias John. Verteidigungsminister Rudolf Scharping wurde gestern in der Türkei erneut mit dem brisanten Thema konfrontiert. Der SPD-Politiker - er traf zum Abschluss seines Besuchs mit Präsident Süleyman Demirel zusammen - gab sich diplomatisch. Im Deutschlandfunk attestierte er Ankara «beachtliche Fortschritte» hinsichtlich der «Annäherung an westliche Werte» bei den Menschenrechten - aber noch kein «Erreichen der europäischen Standards». Das aber sei ein «entscheidendes Kriterium» auch für die mögliche Lieferung von 1000 schweren Panzern Leopard 2 A5 und 145 Kampfhubschraubern Eurocopter PAH-2 Tiger an das türkische Heer. Zugleich plädierte Scharping für mehr Zurückhaltung in der Diskussion über dieses Thema. «Man muss ja nicht über Entscheidungen spekulieren, die vermutlich in zirka einem Jahr zu fällen sein werden», sagte er mit Blick auf den «Leo 2». Hatte doch sein Amtskollege Sebahattin Cakmakoglu erklärt, Ankara werde nicht vor Abschluss der Vergleichstests - vor allem mit dem amerikanischen Abrams A 1 - über eine Bestellung entscheiden. Und vom strittigen Hubschrauber seien bei der Eurocopter Tiger GmbH in München ohnehin erst zwei Prototypen in Erprobung, betonte Scharping. Bei mehreren Gesprächspartnern am Bosporus stieß die Verknüpfung von Rüstungsgeschäften und Menschenrechtsfragen durch die Deutschen freilich auf Kritik. Wohl auch deshalb beschrieb Scharping seine Unterredung mit dem einflussreichen Generalstabschef Kivrikoglu als ein «zu Teilen etwas hartes Gespräch». Dabei hatte Scharping - zumindest indirekt - auf die Notwendigkeit einer militärisch starken Türkei hingewiesen. Er warnte nämlich vor einem Übergreifen des Tschetschenien-Kriegs auf angrenzende Regionen. Das Risiko einer Internationalisierung des Konflikts in der russischen Kaukasus-Republik sei nicht auszuschließen. Deshalb habe dieses Problem in seinen Gesprächen eine «ziemlich große Rolle gespielt». Tatsächlich besteht die Gefahr, dass Unruhen im Kaukasus in die asiatischen Turk-Republiken abstrahlen und mithin auch für das Nato-Land Türkei zum Risiko geraten könnten. Dann wäre letztlich die Allianz an ihrer ohnehin sensiblen Südostflanke betroffen. Dies wiederum spricht gerade dort gegen eine im Vergleich zu anderen Bündnisstaaten schlechter ausgerüstete Armee. Ein Umstand, den Kritiker des möglichen deutsch-türkischen Panzer-Deals, eines auf 14 Milliarden Mark bezifferten Geschäftes, auch bedenken sollten.
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