junge Welt, 22.12.99

Irak:
Mission impossible

Unmut in Washington nach Abstimmung über Rüstungskontrollkommission

Eine Resolution, der nicht alle Mitgliedern des Sicherheitsrates zustimmen, ist ein großer Erfolg für den Irak«, hatte noch letzte Woche der französische Staatspräsident Jacques Chirac gegenüber der Presse erklärt. Folglich dürften die Stimmenthaltungen von drei der fünf permanenten Mitglieder des UN-Sicherheitsrates bei der Abstimmung über die anglo-amerikanische Resolution für eine Neuauflage der Rüstungskontrollkommission am vergangenen Freitag eher eine Niederlage für Washington als für Bagdad gewesen sein.

Von den 15 Mitgliedern des UNO-Sicherheitsrates hatten sich Frankreich, Rußland, China und Malaysia der Stimme enthalten. Von den Vetomächten stimmten nur die US-Amerikaner und die Briten für ihren eigenen Plan. Einem Bericht der »International Herald Tribune« zufolge war man in Washington über das Verhalten Frankreichs mehr als nur erbost.

Der französische Präsident Jaques Chirac hatte letzte Woche in Paris erklärt, »daß wir uns um das (irakische) Nuklearwaffenprogramm keine großen Sorgen mehr machen müssen« und damit zu erkennen gegeben, daß er die anglo-amerikanischen Bestrebungen für übertrieben hält. Die USA und Großbritannien hatten bisher verlangt, daß Irak bei jeder Verdächtigung und Unterstellung seine Unschuld beweisen muß. Bei einer derartigen Umdrehung der Beweislast ist es gemeinhin so gut wie unmöglich, seine Unschuld nachzuweisen. So konnten die USA mit immer neuen Verdächtigungen, zum Beispiel, daß Massenvernichtungswaffen in den Residenzen des Präsidenten versteckt worden seien, Bagdad öffentlich demütigen und zum Widerstand herausfordern. Mit diesem Trick gelang es, die Entscheidung über das Ende der Sanktionen, das von einer zufriedenstellenden Überprüfung der Rüstungskontrollkommission abhängt, immer wieder auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben. »Wir glauben, daß das Embargo (gegen den Irak) ein grobes und grausames Instrument ist, das die Zivilbevölkerung bestraft. Wir müssen uns auf Kriterien einigen, die es ermöglichen, das Embargo aufzuheben«, meinte dazu der französische Außenminister Védrine.

Der anglo-amerikanische Vorschlag, der von seinen Verfassern wegen seiner »kreativen Zweideutigkeit« gerühmt worden war, mit der man Saddam Hussein doch noch in die Knie zwingen wollte, war noch am Dienstag letzter Woche bei den Franzosen wegen seiner »destruktiven Zweideutigkeit« auf heftigen Widerspruch gestoßen. Auf französischen Antrag war die Abstimmung deshalb auf Freitag vertagt worden, um Zeit für einen, für alle akzeptablen Kompromiß des anglo-amerikanischen Entwurfs zu gewinnen.

Tatsächlich beinhaltet die nun angenommene Resolution 1284 einige nicht unbedeutende US- amerikanische Kompromisse, mit der Washington Frankreich, Rußland und China doch noch zur Zustimmung gewinnen wollte. So stellt die Resolution zum Beispiel die Prozedur der Wahrheitsfindung durch die noch zu schaffende neue Kommission zur Überwachung, Überprüfung und Inspektion (UNMOVIC) wieder vom Kopf auf die Füße. Vom Irak verlangt die neue Resolution nur noch, »klar definierte und präzise« Aufgaben zu erfüllen.

Allerdings stellt alleine das Zustandekommen des neuen Sicherheitsratsbeschlusses einige schwere Rückschläge für Bagdad dar. Denn trotz seines einwöchigen Besuchs in Moskau war es dem stellvertretenden irakischen Premierminister Tariq Aziz offensichtlich nicht gelungen, die Russen für ein Veto gegen die Resolution zu gewinnen. Außerdem wiederholt der Text das Prinzip, daß Irak erst seine internationalen Verpflichtungen erfüllen muß, bevor die Wirtschaftssanktionen aufgehoben werden. Auch wurden die auf den Golfkrieg zurückgehenden, von der UNO erklärten »Flugverbotszonen« über Nord- und Südirak nicht aufgehoben.

Nach der Abstimmung im Sicherheitsrat spekulierte die »New York Times«, daß Großbritannien und die USA sich in ihrer Irak-Politik selbst isoliert hätten und dadurch die »Entschlossenheit des Irak, den Beschluß der Vereinten Nationen zu mißachten, noch größer geworden« sei. Wie zur Bestätigung wurde denn auch von Bagdad die neue Resolution als ein »weiterer Trick« der USA und Großbritanniens zurückgewiesen. Aziz erklärte, daß der Sicherheitsrat versäumt hätte, die legitimen irakischen Forderungen zu erfüllen. Iraks Vertreter bei der Arabischen Liga, Sultan el-Schawi, machte am Sonntag in Kairo klar: »Irak wird niemals eine Rückkehr der Inspektoren zulassen.« Bagdads Position ist klar: die sofortige Aufhebung der 1990 verhängten Sanktionen. Lieber werde man neue Luftangriffe der USA und Großbritanniens hinnehmen als die neue Resolution zu akzeptieren, hieß es in der irakischen Hauptstadt.

Paris wollte eine Resolution, die von allen Mitgliedern des Sicherheitsrates mitgetragen worden wäre und auch die Zustimmung des Iraks gefunden hätte. Denn eine UNO-Rüstungskontrollkommission im Irak, auch eine, die weniger Zugang als UNSCOM hätte, ist nach Meinung der Franzosen immer noch besser als keine Kontrollkommission.

Rainer Rupp