Süddeutsche Zeitung, 23.12.99 Einigung über schärfere Richtlinien für Waffenexport Achtung der Menschenrechte im Empfängerland soll künftig Kriterium für Rüstungslieferungen sein Von Christoph Schwennicke Berlin - Die rot-grüne Regierungskoalition hat sich auf schärfere Richtlinien für den Export von Kriegswaffen und Rüstungsgütern geeinigt. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz begrüßten der außenpolitische Kanzlerberater Michael Steiner sowie die Fraktionsvertreter Claudia Roth (Grüne) und Gernot Erler (SPD) am Mittwoch in Berlin den gefundenen Kompromiss. Der Entwurf sieht als zusätzliches Kriterium für den Rüstungsexport die Achtung der Menschenrechte im Empfängerland vor. Damit wird eine Forderung des Koalitionsvertrages eingelöst. Bis zum Ende der Frist am vergangenen Dienstag hatte keiner der im Bundessicherheitsrat vertretenen Minister von seinem Einspruchsrecht Gebrauch gemacht. Der Entwurf kann nun dem Kabinett zugeleitet und bei der nächsten Sitzung im Januar verabschiedet werden. Danach werden die Fraktionen unterrichtet. Für die SPD-Bundestagsfraktion hat Fraktionsvize Gernot Erler bereits die Zustimmung zugesichert. Auch die bündnisgrüne Claudia Roth ließ erkennen, dass ihre Fraktion den Entwurf mittragen wird. Nach Angaben Steiners werden künftig bei Rüstungsexporten zwei Kategorien von Ländern unterschieden. Einerseits die Nato- und EU-Länder plus Australien, Neuseeland, die Schweiz und Japan, andererseits die sonstigen Staaten. Für die erste Gruppe werde künftig eine Ablehnung "die Ausnahme" bleiben, sagte Steiner, für die zweite Gruppe die Genehmigung. Im neuen Entwurf wird nach den Worten Steiners ein Rüstungsexport grundsätzlich dann ausgeschlossen, wenn das betreffende Rüstungsgut missbraucht werden kann zur internen Repression oder zur fortwährenden Menschenrechtsverletzung. Damit deutete Steiner an, dass in dem künftigen Richtlinien die Frage der Menschenrechte am einzelnen Objekt und nicht grundsätzlich an der Lage der Menschenrechte im Empfängerland festgemacht würden. Dagegen betonte die bündnisgrüne Roth, dass es auch einen Passus gebe, nach dem die allgemeine Menschenrechtslage in dem Empfängerland in die Überlegungen einbezogen würden. Dieser Konflikt hatte die Verhandlungen geprägt. Grundsätzlich sagte der Kanzlerberater, der Entwurf trage der Absicht der Bundesregierung Rechnung, Exporte außerhalb von Nato und EU restriktiver zu handhaben, ohne die Interessen einer leistungsfähigen wehrtechnischen Industrie in Deutschland zu gefährden. Steiner sprach von einem "Kompromiss mit Augenmaß". Betont wurde, dass der europäische Verhaltenskodex in den Text integriert sei. Roth und Erler äußerten sich ebenfalls positiv, auch wenn sie deutlich machten, dass sie von ihren ursprünglichen Vorstellungen Abstriche machen mussten. Roth sagte, die Glaubwürdigkeit der rot-grünen Rüstungspolitik habe gewonnen. Sie hob hervor, dass das Menschenrechtskriterium auch im allgemeinen Teil stehe und nicht nur wie im vorherigen Entwurf "in lyrischer Form" in die Präambel aufgenommen sei. Die grüne Fraktion werde auf eine parlamentarische Kontrolle wie in Schweden oder in den USA hin arbeiten. In diesem Zusammenhang hob Erler den Rüstungsexportbericht hervor, den die neuen Richtlinien einmal jährlich von der Bundesregierung fordern. Er betonte, dass die SPD-Fraktion weiter auf ein parlamentarisches Frühwarnsystem" dringen werde. In diesem Punkt intervenierte Steiner. "Rüstungsexport bleibt Aufgabe der Exekutive", sagte er auch im Namen des Kanzlers. Ausweichend äußerten sich die Beteiligten zur Exportpraxis, etwa zum möglichen Export von Kampfpanzern und -hubschraubern an die Türkei. Im Oktober war die Koalition in eine Krise gestürzt, als der Bundessicherheitsrat einen Leopard-2-Panzer für die Türkei bewilligte. Die Türkei hat auch Interesse am Kampfhubschrauber Tiger. |